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Archiv-Artikel

Spieler auf beiden Seiten

Horst Blankenburg spielte in den 70ern bei Ajax Amsterdam, dann beim Hamburger SV. Heute spielt der HSV gegen Amsterdam. Und Horst Blankenburg wird dabei sein

von ROGER REPPLINGER

Das Handy klingelt. „Ja.“ Horst Blankenburg spielt den ersten Ball gerne scharf und flach. Er war Libero. „Na, zähl mal n’ paar von denen auf, von denen du meinst, dass sie beim Spiel da sind“, sagt er. Am anderen Ende der Leitung wird aufgezählt. „Nee“, sagt der 61-Jährige, „nee. Der sicher nicht“. Andere Namen: „Sjaak Swart, kann sein“, nickt Blankenburg. Mehr Namen. „Der ist nicht mehr da“, sagt er, „der auch nicht. Der ist tot“. Pause. „Hm“, sagt Blankenburg, „hm. Jo. Tschüss“.

Im Uefa-Pokal spielt Ajax heute um 21 Uhr in der HSH Nordbank-Arena gegen den Hamburger SV. Blankenburg hat für beide Clubs gespielt. Es gibt nicht viele, die das von sich sagen können. Er hat beim VFL Heidenheim angefangen, von dort holte ihn Max Merkel 1966 zum 1. FC Nürnberg. Unter Merkel wurde der Club Meister. Blankenburg hatte im Sommer 1967 einen Autounfall, lag drei Monate im Krankenhaus. Zur Meisterschaft hat er „nichts beigetragen“, sagt er.

Er wechselt zum Wiener SK, dann landet er für eine Ablösesumme von 100.000 Mark bei 1860 München. Dort herrscht Durcheinander, der Verein ist klamm, steigt ab. Blankenburg spielt 1970/71 in der Regionalliga.

Nach einem Spiel gegen den VFR Mannheim tippt ihm jemand auf die Schulter. Bobby Harms, Fitness- und Co-Trainer bei Ajax Amsterdam, sagt: „Wir melden uns.“ Eine Woche später schneit ein Agent bei Mittelfeldspieler Blankenburg herein. 1860 München bekommt 320.000 Mark, höchster Transfererlös bis dahin, am 14. Dezember 1970 beginnt Blankenburgs Ajax-Abenteuer.

Mit Michels, unter dem er ein halbes Jahr trainiert, spricht er „vielleicht zwei, drei Mal“. Blankenburg wird „mit der besten Vereinsmannschaft der Welt“ 1970, 1972 und 1973 niederländischer Meister, holt von 1971 bis 73 den Europapokal der Landesmeister, 1972 und 1973 den Uefa-Supercup und 1972 den Weltpokal. Man denke an das 4 : 0 von Ajax gegen den FC Bayern München mit Maier, Beckenbauer, Hoeneß, Breitner, Müller: 1 : 0 Arie Haan (53.), 2 : 0 Gerry Muehren (66.), 3 : 0 Haan (69.), 4 : 0 Cruyff (89.) per Kopf. Ajax besiegt danach Real Madrid und im Finale Juventus Turin. Ajax spielt „total Football“, vielleicht noch mehr unter Trainer Stefán Kovács, der den Spielern mehr Freiheiten lässt als Michels. „Wir waren so stark, wir standen fünf Meter hinter der Mittellinie und stellen den Gegner abseits“, sagt Blankenburg, „das hat so einen Spaß gemacht. Auch die offensive Spielweise. Großartig“.

Er hat alle gesehen: George Best, Eusebio, Bobby Charlton, Sandro Mazzola, Gianni Rivera. „Cruyff war der Beste, der konnte alles“, sagt Blankenburg. Er freundet sich mit Swart an, der Jude ist, die Eltern des Ehepaars, die auf Haus und Kinder aufpassen, wenn er nicht da ist, waren im KZ. Auf dem Platz wird er manchmal angepflaumt. Er versucht Niederländer zu werden, aber die Einbürgerungsbestimmungen sind hart.

Irgendwann wird Hans Kraay Ajax-Trainer. Er hat Blankenburg auf dem Kieker. Die Situation eskaliert, Blankenburg geht zum HSV. Auf der Bank sitzt ein Junge: Felix Magath. Der HSV wird mit Blankenburg Pokalsieger, doch der vermisst die „Lockerheit der Niederländer und Johann Cruyff“. Er spielt noch bei Neuchâtel Xamax in der Schweiz, in den USA für die Chicago Sting, schließlich für Preußen Münster.

Blankenburg ist heute im Stadion. Er trifft Kumpels: Hamburger, Niederländer, Fußballer.