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Archiv-Artikel

Realität am Ende

Ralf Peters zeigt subtil unwirkliche Fotos auf Schloss Agathenburg und in der Kunsthalle Wilhelmshaven

Die zeitgenössische Fotokunst liebt das Künstliche: künstliche Welten überall, realisiert mit Bildbearbeitungsprogrammen am Computer – oder gefunden da draußen, im scheinbar echten Leben.

Man muss nur die Augen aufmachen, die Motive des Lüneburger Fotografen Ralf Peters liegen auf der Straße: Leuchtende Tankstellen bei Nacht hat er fotografiert, hat sie ihrer Markennamen beraubt – und jetzt strahlen sie neutral und gesichtslos im Dunkeln. Austauschbar, schön und künstlich.

Außerdem zeigt Ralf Peters Swimmingpools in Hotelanlagen. Saubere, gut gechlorte Reservate, die von Menschen frequentiert werden, die den gefahrlosen Pool dem unberechenbaren Meer vorziehen. Erst beim zweiten Blick merkt man: Es sind die immer gleichen Schwimmbäder, nur die Landschaft am Horizont variiert ein wenig.

Peters hat auch Bürolandschaften fotografiert und jeden Hintergrund retuschiert, hat lange, hochformatige „Skylines“ geschaffen – und den Himmel gleich von allen Sternen gereinigt. Viele der Fotografien von Ralf Peters funktionieren so: Beim zweiten Blick erkennt man den Fehler. Die Unwirklichkeit der Bilder ist ein Dokument der Unwirklichkeit dessen, was uns umgibt – eine Welt, deren Fußgängerzonen, Tankstellen, Bürolandschaften und Swimmingpools überall gleich aussehen.

In Ralf Peters’ Bildern scheint es um die Frage zu gehen, wo die Realität aufhört und wo die Fiktion beginnt – ein Thema, das sich seit den 80er Jahren zum ästhetischen Schrittmacher der Fotografie gemausert hat. Immer neue Generationen von Künstlerinnen und Künstlern forschen an der grünen Grenze von „echt“ und „falsch“. Genauso, wie es die surrealistische Avantgardefotografie in den 20er und 30er Jahren getan hat. Wir sind manipulierbar, sagen diese Bilder. Darin besteht ihr Erkenntnisgewinn.

Ralf Peters’ Variante des alten Themas ist bunt und fröhlich anzusehen. Zwischen gestochen scharfen Architekturaufnahmen und verschwommenen, klebrig anmutenden „Candies“ pendelt der 1960 geborene Künstler, dessen Arbeiten derzeit auf Schloss Agathenburg bei Stade und gleichzeitig in der Kunsthalle Wilhelmshaven zu sehen sind.

Vor allem die „Candies“, unscharfe, am Computer manipulierte „Digitalaquarelle“ von Innenräumen, lösen sich ganz vom klassischen fotografischen Bild. Von weitem betrachtet, muten sie an wie Aquarelle, glimmen rot, orange und honiggold, führen in Versuchung und verweigern doch jedes Versprechen. Sie sind keine Fotografie mehr – und noch keine Malerei. Eigentlich sind sie wie ein Osterei: Von außen hübsch anzusehen. Doch innen ganz hohl. Marc Peschke

Schloss Agathenburg (bei Stade): bis 12.4., Di-Sa 14-18 Uhr, So 10-18 Uhr, Künstlergespräch am 9.3. 19-30 Uhr. Kunsthalle Wilhelmshaven: bis 4.4., Di 11-20 Uhr, Mi-So 11-17 Uhr