piwik no script img

Archiv-Artikel

Zwei neue Stars im Olympiastadion

Luizao trifft auf Brasilianisch, und die Fans haben schon mehr die Konkurrenz im Blick als das eigene Team. Beim 2:0 gegen Hannover 96 präsentiert sich Hertha BSC in Stile einer Spitzenmannschaft und hat nun sogar die Champions League vor Augen

von ANDREAS RÜTTENAUER

Es war der Tag des Weltmeisters im Berliner Olympiastadion. Luizao, der oft geschmähte Hertha-Stürmer mit den oft so traurigen Augen wurde mit Sprechchören gefeiert, als er kurz vor Ende der Partie gegen Hannover 96 ausgewechselt wurde. Das 1:0 für die Berliner (10. Minute) hatte er auf wahrhaft brasilianische Art höchstpersönlich mit einem gefühlvollen Heber im Fallen erzielt. Auch am zweiten Treffer seiner Mannschaft war er beteiligt, denn er schlug den Pass auf Sturmpartner Michael Preetz, der beim Versuch selbigen im 16-Meter-Raum zu erlaufen, bedrängt vom ehemaligen Mannschaftskameraden Kostas Konstatinidis, zu Boden ging. Den anschließenden Elfmeter hämmerte Marcelinho in die Maschen (44.). Luizao war noch an zahlreichen anderen sehenswerten Aktionen der Berliner beteiligt, und so stand nach dem Spiel ein Stürmer im Mittelpunkt des Interesses, mit dem viele nicht gerechnet hatten.

Denn in den Tagen vor der Begegnung gegen den Aufsteiger aus Niedersachsen war eigentlich nur von Fredi Bobic die Rede gewesen, der in dieser Saison dank seiner 14 Tore für die 96er den Sprung vom ausrangierten Ewigtalent zum gereiften Stürmerstar geschafft hat. Es wurde mächtig geflirtet zwischen dem Neu-Alt-Internationalen und der Hertha. Der treffsichere Schwabe kann nämlich in der kommenden Saison ablösefrei verpflichtet werden. Darüber war nach dem Spiel nur wenig zu erfahren. Am interessantesten war noch das doch recht resigniert wirkende Statement von Hannovers Sportdirektor Ricardo Moar, dass sein Club wohl wenig Chancen auf eine Weiterbeschäftigung habe, wenn Hertha im Ringen um den Angreifer mitbieten würde. Gespielt hat Bobic übrigens nicht schlecht, immerhin schoss er sechs Mal aufs Berliner Tor. Doch dafür und überhaupt für ihn interessierte sich nach dem Spiel niemand so recht.

Es ist die Tabelle, die es den Herthanern angetan hat. Die Champions League ist durch die Patzer der Konkurrenz aus Dortmund und Stuttgart in greifbare Nähe gerückt. Hertha hat nur noch einen Punkt Rückstand auf Platz drei. Ein sichtlich gut gelaunter Dieter Hoeneß versprach nach dem Spiel, das Erreichen der Champions League zum Thema zu machen, wenn seine Mannen am nächsten Spieltag auch in Bremen gewinnen würden. Der Manager fühlte sich rundum bestätigt. „Ich habe immer gewusst und gesagt, dass Huub Stevens alles richtig macht“, sagte er. Und: „Ich habe immer gewusst, welch großes Potenzial in Luizao steckt.“

Auch die Spieler waren nach der Partie bester Dinge. Natürlich sagten auch sie nichts über die Champions League gesagt, das hätten sie wahrscheinlich auch gar nicht gedurft. Abwehrhühne Josip Simunic wusste zumindest schon das Rezept für das Erreichen des Ziels, das man sich noch nicht gesteckt hat: „Wenn wir Spaß haben, können wir alles schaffen!“ Spaß – der hört ja zumeist auf, wenn man in das Gesicht von Hertha-Trainer Huub Stevens blickt. Der Meistergriesgram brachte es tatsächlich fertig, noch missmutiger dreinzublicken als sein Kollege aus Hannover. „Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit dem Spiel“, grantelte er. Sicher hätte das Konterspiel erfolgreicher sein können, auch ein Eckballverhältnis von 3:13 darf einen ärgern. Aber auch der gute Stevens wird gesehen haben, dass der Sieg seiner Mannschaft nie gefährdet war. Hertha hat zwar nicht unbedingt spitze gespielt, aber im Stile einer wahren Spitzenmannschaft gewonnen.

Auch das Publikum im Olympiastadion spürte die Überlegenheit der Berliner. Die meisten Zuschauer lehnten sich spätestens ab Mitte der zweiten Halbzeit beruhigt zurück und wandten den Blick zur Anzeigentafel. Als dort kurz vor Spielschluss der Ausgleich von Hansa Rostock in Stuttgart vermeldet wurde, sprangen die Hertha-Fans von ihren Sitzen auf und jubelten der Videoleinwand zu. Und so wurde die Anzeigetafel zum zweiten Star des Nachmittags – neben Luizao.