: Wer sich nicht bewegt, wird bewegt
Eine neue Fusionswelle rollt heran. Steigende Aktienkurse und niedrige Zinsen machen es möglich, der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen macht es nötig. Nach der Pharmabranche sind jetzt die deutschen Banken an der Reihe
VON ULRIKE FOKKEN
Sie kommt. Unaufhaltsam rollt sie heran, die nächste Fusionswelle. Wie ihre Vorgängerin in den Neunzigerjahren wird sie Unternehmen aus den Branchen erfassen, in denen der Markt eng ist und die Unternehmen aus eigener Kraft nur unmerklich wachsen können. Wie in der Telekommunikation, wo der niederländische Konzern KPN seinen britischen Konkurrenten MMO2 zu einer Fusion drängt und daraufhin auch deren deutsche Töchter E-Plus und O2 verschmelzen würden. Oder wie in der Pharmabranche, in der Sanofi den größeren Aventis-Konzern übernehmen möchte. In den zersplitterten Branchen – Internetdienstleister, Fluglinien und Touristikkonzerne – werden die Unternehmen zusammenrücken, um ihre Position zu festigen. Und die Fusionitis wird unter den Konzernen grassieren, die sich einen strategischen Partner aus einer anderen Branche einverleiben und so die Kosten senken wollen. Diese Strategie versucht Brian Roberts, Präsident des US-Kabelnetzbetreibers Comcast, umzusetzen. Wenn er Walt Disney übernimmt, kann er in seinen Fernsehprogrammen Disney-Filme spielen und die Lizenzgebühren sparen.
Fusionen lohnen wieder – für Fondsgesellschaften und Investmentbanken. Da mit jeder Fusion die Aktienkurse steigen, drängen sie auf Zusammenschlüsse. Denn die Fonds haben Milliarden gesammelt, die sie nun renditeträchtig anlegen wollen. Die Investmentbanken verdienen nicht nur bis zu einem halben Prozent der Übernahmesumme an einem Deal, sondern können auch Geld mit Aktien und Optionen nach einer Fusion machen. Angetrieben wird ihre Hoffnung durch die steigenden Aktienkurse. Damit haben die Unternehmen wieder eine Währung. Bezahlbar sind die Mega-Fusionen nämlich nur, wenn die Aktionäre des Übernahmeopfers ihre Anteilsscheine gegen die Aktien des Angreifers tauschen. Zudem sind die Zinsen niedrig, sodass die Unternehmen kleinere Übernahmen sogar mit fremden Kapital zahlen könnten. Und da außerdem die Konzerne in der Flaute kaum investiert haben, ist die Kriegskasse vieler Unternehmen gefüllt. Und wer nicht investiert und keine neuen Produkte auf den Markt bringt, hat keine Chance auf Wertsteigerung. Die Unternehmen der engen Märkte können daher nur noch durch Größe ihren Marktanteil halten, durch Übermacht Kosten senken und eventuell eine ausreichende Rendite erwirtschaften. Nur wenn die stimmt, ist der Aktienkurs hoch genug, um selbst eine feindliche Übernahme abzuwehren.
In Deutschland wird die Fusionswelle die Banken erfassen. Die Frage ist nur, ob sie sich untereinander das Jawort geben oder die ertragsstärkeren Banken aus den USA und Großbritannien schneller sind. Gegen ihre Übernahmegelüste könnte sich nicht einmal die Deutsche Bank wehren, die zwar hierzulande mächtig ist, international aber ein Zwerg. Ihr Ertrag ist zu gering und der Börsenwert entsprechend klein im Verhältnis zu der expansionshungrigen Citigroup aus den USA. Scharf auf deutsche Banken ist auch die Royal Bank of Scotland, die gerade zur größten Bank Großbritanniens aufgestiegen ist. Die begehrlichen Blicke der Ausländer auf die billigen Bankaktien beunruhigen längst nicht mehr nur die Vorstände. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sie mehrfach gedrängt, sich endlich untereinander zu einigen. Denn wenn schon eine Fusion in dem sensiblen Bankensektor unausweichlich ist, dann bitte eine rein deutsche Lösung. Heiße Kandidaten sind die Hypovereinsbank und die Commerzbank. Aus eigener Kraft können sie weder genügend wachsen noch ausreichend die Kosten senken, um eine befriedigende Rendite zu erwirtschaften. Schließlich kann jeder Arbeitsplatz nur einmal gestrichen werden.
Die Arbeit der Fusionierer beginnt nach dem Deal. An der Integration scheitern jedoch 60 bis 70 Prozent der Zusammenschlüsse. Die Manager verbringen wertvolle Zeit in Meetings, um die gemeinsame Linie zu finden. An der Wertsteigerung des Unternehmens können sie in der Zeit kaum arbeiten. Auch die Mitarbeiter müssen erst die neue Identität des frischen Konzerns verinnerlichen. Sie sollen plötzlich nicht mehr gegen, sondern miteinander arbeiten. Dabei kämpfen sie alle nur für eines: ihren eigenen Job.