: Billigverbrenner statt Rosenholz
In Wilhelmshaven wird gegen zwei Bestatterinnen verhandelt, die Verstorbene vor der Verbrennung in Billigsärge umgepackt haben sollen. Die Angeklagten verweisen auf die prekäre finanzielle Lage
VON ANNEDORE BEELTE
Wo Rosenholz dransteht, ist Kiefer unter der Beize. „Rosenholz“, „Spartakus“ oder „Antigone“, so heißen die Sargmodelle, die ein Wilhelmshavener Bestattungsunternehmen seinen Kunden verkauft hat. Verbrannt, davon geht indes die Staatsanwaltschaft aus, wurden die Verstorbenen aber stattdessen in Rohholzsärgen zu 55 Euro das Stück. Auf blankem Holz – ohne Decken-Garnitur und die vorgeschriebene saugende Schnipsel-Schicht.
„Morgens ist der Sarg aus der Ausstellung, nachmittags ist er wieder da.“ So beschrieb der ehemalige Auszubildende F. am Donnerstag vor dem Amtsgericht Wilhelmshaven das Geschäftsgebaren der Firma. Zwei Verstorbene seien im selben Sarg zur Trauerfeier hergerichtet worden – nacheinander. Die Stimme des Zeugen wird weich, wenn er sagt: „Ich dekoriere gern.“ Und tränenerstickt, wenn er berichtet, wie er Krankenhaus-Bettlaken zerrissen habe, um notdürftig die Toten darin einzuwickeln. Er zeichnet das Bild eines kriselnden Unternehmens, das den Lohn schuldig blieb und den Druck auf die Mitarbeiter dafür erhöhte. „Sonst müssten wir alle entlassen“, rechtfertigten sich die Chefinnen und hielten F. Komplizenschaft vor: „Sie haben es ja selber schon gemacht.“
In der ganzen Branche, berichtet in der Prozesspause ein anderer ehemaliger Mitarbeiter, gehe „das Niveau nach unten“: Die Leute sparten bei Beerdigungen, da gerate leicht ins Schlingern, wer kein solides Kunden-Netzwerk habe.
So gesehen haben die Angeklagten für Gleichheit im Tode gesorgt: mit denen, die sich nur den „Billigverbrenner“ leisten können. Bestattungen werden heute immer privater, der Ofen löst mehr und mehr das öffentliche Begräbnis ab – damit wächst der Vertrauensvorschuss an den Profi. Die Beobachter im Wilhelmshavener Gerichtssaal äußerten gestern Abscheu über den kriminellen Pragmatismus, der hier verhandelt wird. Der Zeuge F. hat sich in Psychotherapie begeben, ein anderer führt seinen Schlaganfall auf die erzwungenen Umbettungen zurück.
Nicht so Mitarbeiter Sch.: Er mache seine „Arbeit und fertig“, sagte er vor Gericht. Musste er Tote umbetten, dann nahm er an, die Angehörigen hätten es sich „anders überlegt“. Seine früher bei der Polizei gemachte Aussage, der Sargtausch sei in der Firma die Regel gewesen, will er vor Gericht nicht mehr gelten lassen. Die Verteidigung mutmaßt, Sch. sei bei der damaligen Vernehmung unter Druck gesetzt worden. Der Prozess wird am 8. Dezember fortgesetzt.