: Chinas „eiserne Lady“ gegen SARS
Die Ölingenieurin und Handelsexpertin Wu Yi soll als neue Gesundheitsministerin die Lungenkrankheit bekämpfen
Als einzige Frau im 25-köpfigen Politbüro der Kommunistischen Partei ist Wu Yi Chinas mächtigste Politikerin. Bei der letzten Plenartagung des Nationalen Volkskongresses Anfang März – derentwegen Berichte über die neue Lungenkrankheit SARS unterdrückt wurden – rückte die frühere Außenhandelsministerin gar zur stellvertretenden Ministerpräsidentin auf. Doch erst jetzt hat sie ihren schwierigsten Job bekommen: Am Samstag wurde Wu Yi zur neuen Gesundheitsministerin ernannt. Damit soll sie für Chinas Führung in der SARS-Krise die Kastanien aus dem Feuer holen, nachdem ihr Vorgänger versagt hat.
Die 64-Jährige ist eine im Inland beliebte und im Ausland anerkannte Politikerin. Als Handelsministerin erwarb sie sich in Verhandlungen wie über chinesische Copyright-Verletzungen oder die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation einen Ruf als harte Verhandlerin. Das trug ihr den Spitznamen „eiserne Lady“ bei. Wu ließ sich nie von ihren Verhandlungspartnern einschüchtern, was Chinesen mit Stolz erfüllte. Zugleich erwarb sie sich mit ihrem harten, aber intelligenten Verhandlungsstil den Respekt ihrer westlichen Gesprächspartner. Sie jetzt mit der Bekämpfung von SARS zu betreuen soll verlorenes Vertrauen im In- und Ausland zurückgewinnen. Denn Wu gilt als glaubwürdig und steht für Härte, was effektives Durchgreifen verspricht.
Sie stammt aus einer Intellektuellenfamilie aus der zentralchinesischen Metropole Wuhan. Seit Aufnahme ihres Studiums widmete sie sich fast 30 Jahre lang der Ölindustrie. Sie wurde Ingenieurin für Raffinierie und passt damit gut zu anderen KP-Führern der letzten Jahre, unter denen Ingenieure dominierten. 1988 wurde die inzwischen zur Parteisekretärin eines Petrochemiekomplexes aufgestiegene Wu Vizebürgermeisterin der Hauptstadt Peking, bevor sie 1991 Vizeministerin für Außenhandel und zwei Jahre später dann Ministerin wurde.
Beim 16. KP-Parteitag im vergangenen November stieg Wu ins mächtige Politbüro auf, nachdem sie zuvor schon zehn Jahre dem Zentralkomitee angehört hatte. Sie ist jetzt das erste Politbüromitglied, das zugleich das Amt des Gesundheitsministers innehat. Das zeigt den geringen Stellenwert, den dieses Ministerium bisher genoss. Dabei könnte jetzt Wus Arbeit über das Schicksal der Partei entscheiden. Wie in vielen anderen Ländern ist auch im patriarchalen China das Gesundheitsministerium eines der wenigen Ämter, in denen Frauen auf dem Chefposten akzeptiert werden.
Wu versprach nach ihrer Ernennung, als Erstes streng durchzugreifen. Doch ist fraglich, ob dies gelingt, denn die Macht der Zentralregierung ist in Chinas Provinzen begrenzt. Politikerin zu sein ist nicht einmal ihr Traumjob. Sie sagte einmal, sie wäre gern Unternehmerin geworden, weil man in einem Unternehmen eigenes Denken entwickeln könne. Wu hat ihren eigenen Stil entwickelt, doch in ihrer Parteikarriere auch gezeigt, dass sie auch sehr anpassungsfähig ist. Nur privat wollte sie sich nicht auch noch anpassen. Sie blieb unverheiratet, was immer wieder zu Gerede um ihre Person führt. „Ich bin keine überzeugte Junggesellin“, sagte sie einmal von sich. Sie habe in ihrer Jugend sehr wohl das Ideal eines Mannes vor Augen gehabt. Aber solche Männer existierten im realen Leben nicht. SVEN HANSEN