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Archiv-Artikel

Iraks Wahlen fest im Blick

Die USA können zufrieden sein: Der aktuelle UNO-Bericht sieht vor 2005 kaum Möglichkeiten für Wahlen im Irak

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Wahlen im Irak können nach Einschätzung von UNO-Generalsekretär Kofi Annan im besten Fall „frühestens Ende 2004“ stattfinden. Wahrscheinlicher aber sei ein Termin erst im nächsten Jahr, da die Iraker noch „rund ein Jahr“ zur Erarbeitung eines Wahlgesetzes und zur Schaffung des für einen landesweiten Urnengang erforderlichen rechtlichen und institutionellen Rahmens bedürften. So heißt es in einem am Montag in New York veröffentlichten Bericht des Generalsekretärs an den UNO-Sicherheitsrat.

Verfasser ist Annans Irak-Sonderbeauftragter Lakdar Brahimi, der in der ersten Februarhälfte eine einwöchige Erkundungsmission im Irak geleitet hatte. Der Bericht unterstreicht die „Notwendigkeit“, an dem von Washington vorgesehen Termin 30. Juni für die Machtübergabe an eine vorläufige Regierung „festzuhalten“. Zu den umstrittenen Fragen der Zusammensetzung und Auswahl dieser Regierung gab Annan keine Empfehlung ab. Damit hat Annan fast vollständig die Position der USA übernommen. Der Chef der US-Besatzungsbehörde im Irak, Paul Bremer, hatte am Wochenende erklärt, Wahlen im Irak seien „frühestens in zwölf bis 15 Monaten“, also nicht vor März 2005, möglich.

„Wenn die Arbeit zur Vorbereitung der Wahlen unmittelbar aufgenommen und der erforderliche politische Konsens ziemlich schnell – das hieße bis spätestens Ende Mai – erreicht wird, wären Wahlen Ende 2004 noch möglich“, heißt es in Annans Bericht, dessen nachfolgende Beschreibung der Lage im Irak ein solches Szenario zugleich als höchst unrealistisch erscheinen lässt: „Nach mehr als drei Jahrzehnten eines despotischen Regimes sind die Bedingungen im Irak düster. Es gibt keine Grundlage für einen Rechtsstaat; die staatlichen Institutionen sind zusammengebrochen, das Land ist zerstört,die Wirtschaft ruiniert, und unter den Irakern herrscht wenig Bereitschaft zur Versöhnung.“

Der UNO-Generalsekretär reklamiert für die Schlussfolgerungen seines Berichtes, diese basierten auf einem „irakischen Konsens“. Ob das zutrifft, dürfte sich in den nächsten Tagen und Wochen erweisen. Es ist denkbar, dass die Zustimmung der UNO zu Wahlen erst im Jahr 2005 den Protest derjenigen hervorruft, die – wie die schiitische Bevölkerungsmehrheit – ursprünglich Wahlen noch vor dem 30. Juni 2004 gefordert hatten. Der politisch einflussreichste Schiitenführer Ajatollah Sistani hatte diese Forderung erst letzte Woche aufgegeben zugunsten eines Kompromisses: Wahlen spätestens bis 1. Oktober 2004. Diesen hatte ihm zuvor Annans Sonderbeauftragter Brahimi schmackhaft gemacht.

Anhaltender Streit um den Zeitpunkt von Wahlen dürfte aber die Einigung auf die Zusammensetzung und das Auswahlverfahren für die vorläufige Regierung – wofür derzeit drei Modelle vorliegen – ebenso erschweren wie die Klärung aller anderen Fragen, die zumindest nach Vorstellung der US-Besatzer spätestens bis zum 30. Juni entschieden werden sollen. Dazu gehört vor allem die vorläufige Verfassung Iraks, an deren Ausarbeitung die 25 Mitglieder des von Washington eingesetzten provisorischen Regierungsrates bislang gescheitert sind. Die beiden wichtigsten Streitpunkte sind der Stellenwert, der dem Islam in der Verfassung eingeräumt werden soll, sowie die Forderung der Kurden nach sehr weit gehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Sonderrechten innerhalb ihrer autonomen Region im Nordirak. Diese Forderung wird nicht nur von Schiiten und Sunniten abgelehnt, sondern auch von den USA.

Zusätzlich belastet wird das politische Klima durch jüngste Äußerungen des Präsidenten des provisorischen Regierungsrates, Muhsin Abu al-Hamid, Irak müsse künftig seine „territorialen Forderungen“ gegenüber den Nachbarstaaten Kuwait und Jordanien wieder zur Sprache bringen. Kuwait und Jordanien waren einst aus dem Kalifat Bagdad hervorgegangen. Anfang der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts trennten die britischen Kolonialherren Kuwait vom Irak ab. Unter Verweis auf diesen Vorgang hatte das Regime von Saddam Hussein die staatliche Souveränität Kuwaits nie anerkannt und den Überfall auf den Nachbarstaat im August 1990 mit dem Ziel der „Rückholung unserer 27. Provinz“ zu rechtfertigen gesucht.