: Beratungen in Bagdad
US-Zivilverwaltung und Vertreter der irakischen Gesellschaft erörtern die Bildung einer Regierung.Die Weltbank schätzt die Kosten für den Wiederaufbau auf bis zu drei Milliarden Dollar im Jahr
BAGDAD/BERLIN rtr/taz ■ Die US-geführte Zivilverwaltung und irakische Vertreter aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft haben gestern Gespräche über die politische Zukunft des Landes begonnen. Das Treffen im Zentrum Bagdads fiel auf den 66. Geburtstag des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein. „Lassen Sie uns heute, an Saddam Husseins Geburtstag, den demokratischen Prozess für die Kinder des Irak beginnen“, sagte der Chef der Zivilverwaltung, Jay Garner. Er rechnete mit einem Beginn der Regierungsbildung bis zum Ende der Woche.
Das Treffen im Regierungsviertel der Hauptstadt begann mit einer Lesung aus dem Koran. Zu den etwa 250 Teilnehmern gehörten schiitische und sunnitische Geistliche, Kurden, Stammeschefs und Stadtbewohner. Im Gegensatz zu einem ersten, kleineren Treffen am 15. April in Nassirija entsandte auch die schiitische Oppositionsgruppe „Hoher Rat für die Islamische Revolution im Irak“ (Sciri) mit Sitz in Teheran Vertreter. Auch der Irakische Nationalkongress war vertreten, aber deren Chef Achmed Chalabi blieb der Veranstaltung fern – wie auch schon bei dem Treffen in Nassirija. Chalabi gilt als Kandidat des Pentagons für den Posten eines Interimsregierungschefs.
Einige hundert Schiiten, die das alte Regime und die „US-Besatzung“ ablehnten, demonstrierten vor dem von Journalisten genutzten Hotel Palestine gegen die Konferenz. Sie foderten eine stärkere Beteiligung der theologischen Schule Hausa Ilmija in Nadschaf. Die Hausa Ilmija ist die wichtigste schiitische Religionsschule des Landes. Die USA haben Forderungen einiger Schiiten zurückgewiesen, im Irak einen Religionsstaat nach iranischem Vorbild zu errichten.
„Uns obliegt die Verantwortung, hier und heute die Geburt der irakischen Demokratie einzuleiten“, sagte Garner. Hussein Sadr vom Islamischen Rat aus London erklärte, das irakische Volk wolle nach seiner Befreiung nun Sicherheit und Stabilität. „Die Menschen wollen ein wirkliches Mitspracherecht“, sagte er. Das Treffen soll nach dem Willen der USA den Weg für die Einsetzung einer irakischen Übergangsregierung ebnen.
Wegen der scharfen Sicherheitskontrollen fing die Konferenz mit zwei Stunden Verspätung an. Hubschrauber, Panzer und amerikanische Soldaten zogen einen engen Sicherheitsring um die Konferenzhalle. Alle Delegierten wurden durchsucht.
Der Chef der Weltbank, James Wolfensohn, sagte der französischen Zeitung La Tribune, die internationale Gemeinschaft werde für den Wiederaufbau Iraks vermutlich zwischen zwei und drei Milliarden Dollar im Jahr ausgeben müssen. „Zu der Summe kommen natürlich die fünf bis sechs Milliarden Dollar, die das Land vor dem Fall von Saddam Hussein für das Militär ausgegeben hat.“ Bislang ist unklar, welche Pläne die US-geführte Verwaltung für den irakischen Militärhaushalt hat. „Den Wiederaufbau zu finanzieren, ist an sich kein großes Problem“, sagte Wolfensohn. Entscheidend sei, wie schnell das ölreiche Land wieder zu seiner Fördermenge von 3,5 Millionen Barrel pro Jahr zurückkehren könne. B.S.