: Schmutziger Politbetrieb
Was sich das deutsche TV nicht mehr traut, zeigen dann eben die Schweden: „Kronprinzessin“ (Arte, 21.00 Uhr)
Die alten Männer an der Macht haben keinen Zweifel daran, dass sie die Geschicke des Landes am besten ganz alleine lenken sollten. Aber eine junge Frau auf den Wahlplakaten sieht nun mal viel besser aus als die immer gleichen Knittergesichter.
Und da die schwedische Sozialdemokratie momentan ein gehöriges Imageproblem hat, holt man sich die hübsche, zornige und parteilose Umweltaktivistin Charlotte Ekeblad (Alexandra Rapaport) ins Kabinett.
Die frisch gekürte Umweltministerin, vom Finanzkollegen nur zärtlich „die Kampfhenne aus dem Gummiboot“ genant, weiß natürlich, dass der neue Job kein Zuckerschlecken wird. Als sich die Presse auf sie stürzt, gibt Ekeblad bereitwillig Auskunft über Politik und Privates, ohne die mediale Eigendynamik im Blick zu haben. In der Partei wächst der Unmut, das Volk hat sie schnell durch ein paar unachtsame Bemerkungen gegen sich, und die einstigen Kampfgenossen wittern in ihren Kompromissen sowieso Verrat …
Weshalb werden in Deutschland eigentlich keine Politikdramen wie „Die Kronprinzessin“ gedreht? Regierungsviertel und menschlicher Mehrwert – nach erfolglosen Primetime-Machtreflexionen wie „Das Kanzleramt“ geht das für die hiesigen Fernsehverantwortlichen nicht mehr zusammen. Muss man also mal wieder nach Schweden gucken, wo in stets sympathischer Kulisse gekonnt gesellschaftliche Schräglagen ausgeleuchtet werden. Diese Geschichte reicht in ihrer Universalität ja weit über Skandinavien hinaus: Die Kollision des Öko-Starlets mit der Hinterzimmerpolitik des Regierungsbetriebs erinnert in vielerlei Hinsicht an reale Persönlichkeiten bei unseren Grünen.
Dass man beim Zweiteiler (Regie: Kathrine Windfeld), der heute auf Arte in einem Rutsch gesendet wird, mitfiebert, liegt dabei weniger an der präzisen Darstellung, wie das Regierungsräderwerk die Neue verschlingt, sondern vor allem an der Vielschichtigkeit der Heldin: Wie ihr bei der Lust aufs Politikmachen auf einmal vordem heilige Grundsätze verlustig gehen und sie artengengeschützten Kavier verspeist. Wie sie sich nach der Arbeit den einen oder anderen Longdrink zu viel gönnt, weil der bei den Kindern gebliebene Mann ja doch nichts von ihrer großen neuen Regierungswelt begreift – das alles wird so sympathisierend wie genau erzählt. So also lebt der Mensch im Entmenschlichungsapparat namens Politik. CHRISTIAN BUSS