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Archiv-Artikel

Scherf sucht „guten Anlass“ aufzuhören

Bremens Bürgermeister Henning Scherf will aufhören. Er würde auch Bundesminister, wenn Schröder ihn rufen würde. Aber er steht „nirgends Schlange“. Nur soviel: „Schröder schafft es nicht, die Spekulationen um eine Kabinetts-Umbildung zu beenden“

Bremen taz ■ Henning Scherf, seit neun Jahren Bürgermeister und Symbolfigur der großen Koalition, will bald aufhören. Das machte er gestern klar, nachdem eine Vorab-Meldung des Stern ihn als möglichen Nachfolger des glücklosen Verkehrsministers Manfred Stolpe gehandelt hatte. Vor zwei Wochen war Scherf als Chef der Bundesagentur für Arbeit im Gespräch gewesen. „Ich muss wirklich einen guten Anlass finden, um in dieser Legislaturperiode aus meinem Amt auszuscheiden“, erklärte er gestern. Und deswegen dementiert Scherf solche Spekulationen auch nicht. Er sagt nur: „Ich stehe da nirgends Schlange“.

Bei der Bundesagentur für Arbeit habe ihn die „Nachricht erreicht“, dass er im Gespräch sei. „Wenn die meinen, in so einer dramatischen Lage könnte ich helfen ... “, umschrieb Scherf seine Bereitschaft. Er habe damals „nichts dagegen“ gehabt, dass der Verwaltungsrat seine Durchsetzungsfähigkeit „recherchiert“.

„Genauso geht es jetzt bei der Bundesminister-Spekulation“, erläuterte Scherf. Wenn sein Name da genannt werde, sehe er das nicht als „Abwertung“, im Gegenteil: „Ich nehme das als Zeichen, dass sich herumgesprochen hat, wie gut die große Koalition funktioniert.“ Allerdings handele es sich wirklich nur um eine Spekulation, so lange Bundeskanzler Schröder erkläre, zur Zeit ändere er sein Kabinett nicht. „Schröder schafft es nicht, diese Spekulationen zu beenden“, meinte Scherf.

Während die SPD als Partei konsterniert schweigt und bei Journalisten nachfragen muss, wie Scherf sich erklärt hat, forderte CDU-Chef Bernd Neumann Scherf auf, bis 2006 im Rathaus zu bleiben. Neumann wolle 2006 noch einmal als Bundestags-Kandidat antreten. „Er will in den Bundestag und hofft auf eine personelle Beteiligung an der Bundesregierung“, interpretierte Scherf. Dafür brauche Neumann eine stabile Koalition.

Aber 2006 sei viel zu spät, erklärte Scherf, einem Nachfolger müsse man mehr Zeit lassen, sich vor der Bürgerschaftswahl 2007 in das Amt einzufinden. „Ich muss es doch irgendwie schaffen, mich aus diesem Amt mit Anstand zu verabschieden“, formulierte Scherf, „einen guten Aufhänger finden“. Und als ob er ahnte, dass die Diskussion um alle möglichen Ämter außerhalb Bremens der Sache nicht unbedingt dienlich sind, stellte er den Journalisten bei dem kurzfristig angesetzten Pressegesprech die rhetorische Frage: „Wie macht man so was? Man darf es nicht tabuisieren.“

Bis vor wenigen Wochen war man in der Bremer SPD davon ausgegangen, Scherf wolle den Termin seines Rückzuges mit der Partei abstimmen und sich dann in den Ruhestand verabschieden. Dies scheint sich völlig verändert zu haben. Wenn, rein hypothetisch gesehen, Schröder und Merkel sich darauf verständigt hätten, dass er ein guter Bundespräsident gewesen wäre, dann würde er nicht sagen: „Mir sind die Enkelkinder wichtiger“, erläuterte Scherf gestern. Und einen Verzicht würden die im übrigen auch nicht verstehen.

Regierungssprecher Bela Anda hat derweil gestern früh schon alles dementiert: An den Gerüchten über Scherf als Verkehrsminister sei „nichts dran“, die Idee sei wohl „dem närrischen Treiben des Karnevals“ geschuldet. Klaus Wolschner