: Hart an der Grenze des Vermittelbaren
Die Einigung von Verlegern und Gewerkschaften auf einen neuen Tarifvertrag in der Zeitungsbranche ist für Ver.di-Vize Frank Werneke „nicht völlig befriedigend“. Grund: Verringerte Urlaubsdauer, minimale Gehaltserhöhung
Frank Werneke hob den Daumen, als er am Mittwochmorgen aus dem Raum „Sanssouci“ im Berliner Hotel Kempinski trat. Doch aus der Geste des Ver.di-Vizes sprach nach 16 Stunden Tarifpoker eher die Erleichterung, die mehrmonatigen Verhandlungen in der Zeitungsbranche beendet zu haben, als dass ihn das Ergebnis wirklich erfreuen könnte.
Der Tarifabschluss sieht vor, das Urlaubsgeld von bisher 100 auf 80 Prozent zu senken. Als „heilige Kuh“ wurde der Urlaubsanspruch von 35 Tagen von den Gewerkschaften Ver.di und Deutschem Journalisten-Verband (DJV) immer bezeichnet – offensichtlich nicht heilig genug: Die Urlaubsdauer verringert sich auf 30 bis 34 Tage, je nach Lebensalter, wobei nur die Journalisten mit über 55 Jahren in den vollen Urlaubsgenuss von 34 Tagen kommen. Die 14.000 Redakteure in Tageszeitungen erhalten zudem vom 1. Juni 2004 an 1,3 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Bei fünf Nullmonaten in diesem Jahr ist das allerdings nicht mal eine Lohnsteigerung von 0,8 Prozent.
Werner Hundhausen vom Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sagte denn auch, der Abschluss sei ein wichtiger Schritt in eine Tarifpolitik, die „besser auf die wirtschaftlichen Bedingungen in der Zeitungsbranche eingeht“.
Für DJV-Hauptgeschäftsführer Hubert Engeroff dagegen ist die Tarifeinigung „hart an der Grenze des Vermittelbaren“. Das Ergebnis in dieser „Abwehrauseinandersetzung“, sagte wiederum Werneke der taz, sei „nicht völlig befriedigend“. Zwar habe man Forderungen wie betriebliche Öffnungsklauseln oder Arbeitszeitverlängerungen auf 40 Stunden abwehren können. Die Vereinbarungen seien aber „Ausdruck des realen Kräfteverhältnisses zwischen beiden Seiten“.
Auch wenn über vier Wochen im Schnitt 2.000 Redakteure im Ausstand waren, fehlte den Gewerkschaften ein Druckmittel: Der Streik hatte nicht wirklich Folgen für die jeweils bestreikten Zeitungen. Deren Erscheinen sicherten im Zweifelsfall Chefredakteure, Ressortleiter, Volontäre oder freie Mitarbeiter. Und: Große Verlage wie Springer beteiligten sich erst gar nicht am Streik; in den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und Frankfurt ging die Streikbegeisterung gegen null.
Es werde „keine Verschnaufpausen“ mehr geben in der Auseinandersetzung mit dem BDZV, heißt es bei den Gewerkschaften. Ende Dezember 2006 läuft der Manteltarifvertrag wieder aus. Spätestens dann, so die Befürchtung, werden Themen wie Arbeitszeit und Öffnungsklauseln wieder auf dem Verhandlungstisch liegen. THILO KNOTT