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Archiv-Artikel

Schweine auf dem Weg in die weite Welt

Mit einem Aktionsplan will die Bundesregierung der deutschen Agrarindustrie zu mehr Exporten verhelfen. Menschenrechts- und Bauernorganisationen kritisieren, damit würde die bäuerliche Landwirtschaft hier und in den armen Ländern zerstört

AUS BERLIN HEIKE HOLDINGHAUSEN

Die deutsche Nahrungsmittelindustrie soll mehr exportieren. Dazu hat die Bundesregierung einen „Aktionsplan Exportförderung“ aufgelegt, den Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Donnerstag zusammen mit Wirtschaftsvertretern in Berlin vorgestellt hat. „Die traditionellen Märkte sind gesättigt“, sagte Aigner. 80 Prozent der Exporte gingen in EU-Länder, nur 20 Prozent in Drittstaaten. Vor allem nach China und Indien, aber auch in afrikanische und südamerikanische Länder müsse mehr verkauft werden.

Der Aktionsplan sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung und Wirtschaft vor. „Die Politik ist der Türöffner, laufen müssen die Unternehmen selbst“, so die Ministerin. Konkret bedeutet dies, dass die Bundesregierung Einfluss auf Zölle oder andere Handelshemmnisse nimmt, die Unternehmen bei der Präsentation auf Messen unterstützt und Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft initiiert, in denen Wissens- und Technologietransfer gefördert werden. Vier Millionen Euro sieht der Bundeshaushalt im kommenden Jahr für solche Projekte vor, drei Millionen Euro für Messeauftritte. Insgesamt werden etwa 250.000 Euro mehr als im vergangenen Jahr eingesetzt.

Zudem wird der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller (CSU) zum „Exportbeauftragten“ des Ministeriums. Er mahnte vor allem bei den Milcherzeugern „zukunftsfähige Strukturen“ an. Die Nachfrage für Milch steige weltweit jährlich um 4 Prozent, so Müller, die Produktion in Europa stagniere. Aus Indien etwa gebe es konkrete Anfragen nach deutschen Milchprodukten, doch aufseiten der Milchindustrie existierten für die Politik keine Ansprechpartner.

„Damit fordert er eine weitere Konzentration in der Molkereibranche und bei den Milchbauern“, sagt Wilhelm Graefe zu Baringdorf von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. „Weltmarktfähige Strukturen zu schaffen“, sagt der Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament, „bedeutet nichts anderes als einen knallharten Verdrängungswettbewerb.“ Von der Exportstrategie der Bundesregierung hält er wenig. „Der Weltmarkt ist nicht aufnahmefähig“, sagt Graefe zu Baringdorf, verkaufen ließen sich Nahrungsmittel nur zu Dumpingpreisen. Aigners Aktionsplan sei eine PR-Aktion, um die von der EU eben erst wieder eingeführten Exportsubventionen anzukurbeln.

Jürgen Abraham von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sieht für seine Branche keine andere Möglichkeit als den Export. „Wir können mit unserer Nahrungsmittelindustrie 130 Millionen Menschen ernähren“, sagte Abraham, um die Arbeitsplätze zu halten, müssen wir mehr ins Ausland liefern. Zudem sieht er die Bundesrepublik international in der Verantwortung. „Unsere Lebensmittel müssen dahin, wo der Hunger ist“, forderte der Lobbyist. Dabei gehe es vor allem um den Export von Technik und Wissen.

„Das ist eine prima Idee“, sagt Gertrud Falk, Agrarexpertin der Menschenrechtsorganisation Fian, „wenn die entsprechende Technik auch für die Kleinbauern anwendbar und erschwinglich ist.“ Das sei aber meist nicht der Fall. Etwa in Indien oder China gäbe es nahe der urbanen Zentren zwar große Betriebe, die Hochtechnologie bezahlen und verwenden könnten. „Die verarmten Bauern auf dem Land können damit gar nichts anfangen.“ Besorgniserregend sei, dass in der Exportstrategie der Bundesregierung Südafrika prominent auftauche. Fian-Recherchen hätten ergeben, dass die EU gezielt über dieses Land Milchprodukte nach Sambia, Kenia und Uganda exportiere und die dortigen Märkte zerstöre.