Besser mal etwas DNA entnehmen …

Gegen einen Berliner wurde jahrelang ohne sein Wissen ermittelt. Er steht unter Terrorismus-Verdacht

BERLIN taz ■ Dass er als Beschuldigter in einem Verfahren gegen eine terroristische Vereinigung namens „K.O.M.I.T.E.E.“ geführt wird, erfuhr Klaus M. (Name geändert) aus Berlin Ende Februar per Post. Als ihm die Bundesanwaltschaft mitteilte, dass er die Wahl hätte: entweder freiwillig eine DNA-Probe abzugeben oder zwangsweise zur Blutentnahme vorgeführt zu werden. Rechtsanwalt Stephan Schrage, der Klaus M. vertritt, hält das Vorgehen der Bundesanwaltschaft für skandalös. Sechs Jahre lang sei sein Mandant lediglich als Zeuge in dem 192a-Verfahren geführt worden. Dann entschied die Bundesanwaltschaft im Oktober 1999, den Zeugen Klaus M. sowie einen weiteren Mann und eine Frau als Beschuldigte zu führen. Ohne die Betroffenen zu informieren.

Begonnen hatten das Verfahren, als im April 1995 eine linke Gruppe namens K.O.M.I.T.E.E. versuchte, den leer stehenden Neubau des Berliner Abschiebegefängnisses Grünau zu sprengen. Eine Polizeistreife überraschte die Aktivisten. Zurück blieben in einem Pkw neben 120 Kilogramm Sprengstoff auch Ausweispapiere von drei Männern. Seitdem ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen das K.O.M.I.T.E.E.

Bislang vergeblich fahndete das Bundeskriminalamt im Zusammenhang mit der gescheiterten Gefängnissprengung mit internationalem Haftbefehl nach drei Männern aus der linksradikalen Szene in Berlin-Kreuzberg.

Doch seit Jahresanfang vermuten Zielfahnder des BKA die gesuchten drei Männer offenbar in Deutschland. Zur Fahndung eingespannt wurden neben der Berliner Morgenpost auch die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“, die Mitte Februar um anonyme Hinweise auf den Verbleib der Mittvierziger warben. Frischer Fahndungseifer auch bei der Bundesanwaltschaft: Sie vernahm Ende Februar eine neue Zeugin in Berlin. Vor allem aber will sie Klaus M. und zwei weitere Betroffene – allesamt ehemalige Mitbewohner der flüchtigen Männer – zur zwangsweisen DNA-Probe per Blutentnahme vorladen. „Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft verletzt das Gebot der Verfahrensfairness“, kritisiert Rechtsanwalt Stephan Schrage, Zudem handele es sich bei der Anordnung der DNA-Probe um eine „Drohkulisse“. Gäbe es tatsächlich einen dringenden Tatverdacht, so Schrage, wäre die Entnahme wesentlich früher erfolgt.

Offenbar glaube die Bundesanwaltschaft selbst nicht an einen Erfolg der Zwangsmaßnahme. Schrage verweist darauf, dass eine vierte mutmaßliche Beschuldigte, Schwester eines der Flüchtigen, wenige Wochen nach dem Anschlag kurzzeitig festgenommen und wieder freigelassen wurde. Auch die anfangs von großem Medienecho begleitete Vorladung von rund zwei Dutzend Zeugen aus dem persönlichen Umfeld der Untergetauchten betrieben die Sicherheitsbehörden über Jahre hinweg ohne großen Nachdruck. Der Rechtsanwalt vermutet hinter dem neuerlichen Behördeneifer ein anderes Motiv: DNA-Dateien mutmaßlicher Linksradikaler sollten nach Belieben aufgefüllt und Bürgerrechte demontiert werden.

HEIKE KLEFFNER