: Rückkehrer in die glorreiche Vergangenheit
Regionalliga-Aufsteiger Wuppertaler SV arbeitet an seinem Comeback im Profi-Fußball – mit jugendlichen Machern und routinierten Spielern. Die Relikte aus der Vergangenheit sind dabei nicht zu übersehen
WUPPERTAL taz ■ Es regnet oft in Wuppertal. Die Träger der Schwebebahn rosten ebenso vor sich hin wie die Rohre des Bayer-Werkes am Ufer der Wupper. Die Dinge funktionieren irgendwie, sind an vielen Ecken modernisiert, erzählen aber stets davon, dass sie schon bessere Tage gesehen haben. Wer mit der Schwebebahn Richtung Süd-Osten fährt, passiert kurz hinter der Innenstadt ein großes Industriegebiet und gelangt zum Stadion am Zoo. Auch hier mischen sich konservierter Glanz und von der Witterung angenagte Elemente. Eine prunkvoll restaurierte Haupttribüne mit einer Fassade im Kolonialstil verdeckt die vermoosten, aus der Balance geratenen Stufen der Stehtribünen, die sich in den Hang am Rande des engen Tales schmiegen. Dieser Ort birgt die große Hoffnung auf neuen Glanz. Hier spielt der Wuppertaler SV.
„Der WSV ist das beherrschende Thema der Stadt“, sagt Trainer Georg Kreß. Zwischen 1972 und 1975 spielte der WSV in der Bundesliga, 1973 sogar im Uefa-Cup. Nun führen die Wuppertaler als Aufsteiger die Tabelle der Regionalliga Nord an, die am Samstag ihre Winterpause beendet. „Die Leute leben immer noch mit den Ansprüchen aus der Erfolgszeit, das hat in der Vergangenheit viel verändert“, sagt Kreß, der selber Teil der merkwürdigen Alt-Neu-Mixtur dieser Stadt ist. Gerade mal 41 Jahre alt, führte er den WSV mit Manager Thomas Richter, ebenfalls 41, zu lange vermissten Erfolgen. Trotz des mit 1,6 Millionen Euro vergleichsweise bescheidenen Etats hat der Klub sieben Punkte Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz. Der jungen Führung steht dabei ein in die Jahre gekommenes Team gegenüber. Zehn Spieler sind über 30, und mit dem 33-jährigen Holger Gaißmayer kam jetzt ein weiterer Veteran hinzu.
Jugendlich wirkende Verantwortliche und alternde Spieler sind das Erfolgsrezept – eine Mischung, die auch seltsame Blüten treibt. Im kärglichen Büro, das sich Trainer und Manager teilen, befinden sich nur zwei Tische, drei Stühle, zwei Aschenbecher und zwei Telefone. Es wird geraucht, Kaffee getrunken und alberne Witze werden gerissen. Wäre da nicht ein älterer Herr im Vorzimmer, der die Stellung auf der Geschäftsstelle hält, könnte man sich glatt in der Schaltzentrale eines Studentenprotests wähnen. „Manchmal kommt der Thomas hier mit Arafat-Tuch rein und macht subversive Musik an“, erzählt Kreß. Beide lachen. Manager Thomas Richter sagt: „Meine Intension ist es, den WSV in Richtung SC Freiburg zu bewegen. Was die Kontinuität und Ruhe angeht“, und der Trainer ergänzt: „Hier ist alles möglich.“ Eine geplante Fusion mit Oberligist Borussia Wuppertal soll weitere Kräfte freisetzen.
Gegen diesen Überschwang wirkt der ehemalige Bundesligaspieler Karsten Baumann fast weise. „Durch das Alter haben die beiden eine gewisse Nähe zur Mannschaft“, meint der Defensivspezialist und warnt: „Die große Gefahr ist die Selbstzufriedenheit.“ Die Spieler nennen immer wieder das gute Klima untereinander als Grund dafür, dass die Euphorie, die einen Aufsteiger oft in den ersten Spieltagen zu Erfolgen führt, bis in den Winter hinein bewahrt wurde. „Wir haben viele Spieler, die vom Intellekt her einen sehr vernünftigen Umgang miteinander pflegen“, sieht auch der Trainer die Wurzeln des Erfolges im Klima.
Für Kress, der als Jugendtrainer in Dortmund und Wattenscheid sowie als Cheftrainer in Gütersloh engagiert war, ist das vergangene Jahr wie ein Sechser im Lotto. Wenn nichts schief geht, hat er ab der kommenden Saison einen der begehrten 36 Trainerposten im deutschen Profifußball, aber schon jetzt fällt sein Name, wenn in der Zweiten Liga eine Trainerstelle vakant ist. Im Herbst hat Uli Hoeneß angerufen und um ein Freundschaftsspiel gebeten, das der WSV im Januar mit 3:5 gegen die Bayern verloren hat. Das DSF übertrug live, und Präsident und Hauptsponsor Friedhelm Runge sagt: „Wir haben in diesem Spiel viel für das Image der Stadt Wuppertal getan.“ Wenn hier irgendwann wieder Profifußball gespielt wird, wirkt vielleicht auch die Schwebebahn nicht mehr so rostig wie in diesem Winter.
DANIEL THEWELEIT