: Blumenthaler gegen ofenfrische Luft
Sondermüllverbrennung als neuer Wirtschaftszweig für Bremen Nord? Politiker und Anwohner suchen Kompromisse
Bremen taz ■ Die Kontroverse um den Flüssigmüll-Ofen in Blumenthal wird weiter hitzig ausgetragen. „Die Aufregung ist ungewöhnlich für Blumenthal, hier herrscht regelrecht Krieg“, stellte eine Anwohnerin jetzt während einer Podiumsdiskussion, veranstaltet von der Grünen Bürgerschaftsfraktion, fest. Auf der einen Seite fürchten Mitarbeiter der Wollkämmerei um ihre Arbeitsplätze, auf der anderen Seite Blumenthaler um ihre Gesundheit. Auf dem Podium bemühten sich Politiker und Umwelt-Experten um sachliche Antworten.
Seit Jahren wird in der Eindampf- und Feuerungsanlage (EFA) der Brewa, einer Tochtergesellschaft der Bremer Wollkämmerei (BWK), neben pestizidbelastetem Wollwaschwasser auch anteilig flüssiger Abfall anderer Herkunft verbrannt. Bausenator Jens Eckhoff (CDU) soll nun die Erlaubnis erteilen, diese Anlage ausschließlich mit externen Chemikalien zu betreiben. Ein lukratives Geschäft, das der Brewa zudem die Möglichkeit eröffnet, auch unabhängig von der Wollproduktion zu wirtschaften. Mit Blick auf die angeschlagene BWK fürchten nun Grüne, SPD und viele Blumenthaler, dass im Norden Bremens ein Standort für Sondermüllverbrennung heranreift.
Dabei zweifeln Fachleute an der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit der Anlage, die in unmittelbarer Nähe zum Blumenthaler Ortskern steht. „80 verschiedene Flüssigkeiten mit bis zu 100 Einsatzstoffen werden da verbrannt“, rechnete Wolfgang Thiemann, Chemiker an der Bremer Uni, vor. „Die Prozesse, die da ablaufen, sind unabsehbar“. Vor diesem Hintergrund hält er eine dreitägige Mess-Reihe der Firma Bregau, die einen umweltverträglichen Betrieb attestierte, für völlig unzureichend. „Die Studie selbst räumt ein, dass an einem dieser Tage Werte überschritten wurden, allerdings außerhalb der Versuchszeiten.“ Für Thiemann ein Witz, da die Blumenthaler gemeinhin 24 Stunden täglich atmen. Trotzdem musste Toralf Richter vom BUND zugestehen, dass die Verbrennungsanlage nach aktuellem Wissen den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) genüge. Entscheidend für die Gegner ist damit das politische Votum.
Karin Mathes, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, forderte den Bremer Senat vehement auf, sich gegen eine Blumenthaler Zukunft als Müllverbrennungsstandort zu entscheiden. „Keiner will, dass die BWK stirbt, aber wenn am Ende nur der Müll bleibt, kann das keinem recht sein.“ Eine Vorstellung, die in jüngster Zeit auch Max Liess, den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, zum Umdenken bewogen hat. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich andere Unternehmen hier ansiedeln, wenn wir das Image eines Müllstandortes haben“, verteidigte er sich gegen das Grummeln anwesender BWK-Mitarbeiter.
CDU-Vertreter Klaus Peters zeigte sich ungerührt von diesen Bedenken. „Die Anlage sollte in Betrieb bleiben, es hängen zahlreiche Arbeitsplätze daran.“ Derzeit arbeiten 308 Arbeitnehmer bei der BWK und 28 bei der Brewa. Der klassische Konflikt zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen gärt also weiter. Die Entscheidung über die erweiterte Anlage ist indes vertagt. Am 30. März will der Petitionsausschuss über einen Gegen-Antrag der Blumenthaler Bürgerinitiative beraten. Genug Zeit, um Kompromisse zu erörtern.
So regte Karin Mathes an, die externe Müllzufuhr auf 80 Prozent zu senken und damit die Existenz der Anlage an die der Wollkämmerei zu koppeln. Toralf Richter plädierte für einen überschaubaren, in seinen Reaktionen vorhersehbaren Cocktail von Flüssigkeiten. Und die SPD will nun mit dem Koalitionspartner im Verhandlungskämmerlein verschwinden.Holger Schleper