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MAI soll Investieren sichern

In Vorbereitung auf das Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) wird an einem neuen multilateralen Investitions-abkommen (MAI) gearbeitet. Kritiker fürchten, dass ausschließlich die Rechte der Investoren berücksichtigt werden

Vor allem die reicheren WTO-Länder drängen auf verbindliche Regeln

von KATHARINA KOUFEN

„Das MAI ist tot“, jubelten seine Gegner. Das war 1998, die globalisierungskritische Bewegung feierte diesen Tod als ihren ersten großen Sieg. Rund drei Jahre lang hatten Umweltschützer und Entwicklungsverbände den Vertrag über ein multilaterales Investitionsabkommen bekämpft, für dessen sperrigen Namen MAI die Abkürzung ist.

Nun allerdings könnte MAI bald auferstehen, wenn auch als „MAI light“, wie es Antje Schultheis vom Forum Umwelt und Entwicklung auf einer Tagung in Bonn bezeichnete. Im September treffen sich die Minister der Welthandelsorganisation (WTO) im mexikanischen Cancún. Dort wird womöglich der Startschuss für die Verhandlungen über ein neues Investitionsabkommen fallen. Vor allem die reicheren im Club der 142 WTO-Länder drängen auf verbindliche Regeln, die notfalls auch einklagbar wären. Ihre großen Konzerne, die im Ausland investieren wollen. „Gerade kleinere Firmen haben da gar nicht genügend Personal, um jedes Mal erst die Gesetze des Gastlands zu erforschen“, sagt Tillmann Rudolf Braun, Außenhandelsexperte im Wirtschaftsministerium. Zu klären sind Fragen wie: Was ist, wenn die Währung zusammenbricht? Wo können ausländische Firmen auf Schadenersatz klagen?

Viele Entwicklungsländer konkurrieren jedoch darum, der attraktivste Standort zu sein – und dazu zählt auch, dass es für fremde Investoren möglichst wenig Vorschriften gibt. Das MAI empfinden einige Entwicklungsländer daher als Rückschritt. Andere fürchten um ihre Eigenständigkeit. In China etwa, dem begehrtesten Standort für Investoren, dürfen sich ausländische Firmen nur als Joint-Venture niederlassen. So bleibt zumindest ein Teil der erwirtschafteten Gewinne im Land. Dies könnte durch ein Investitionsabkommen hinfällig werden.

„Bei den Verhandlungen geht es ausschließlich um Rechte für Investoren“, kritisiert Jan Ceyssens von WEED (Weltwirtschaft, Umwelt und Entwicklung). „Nicht gedacht wird daran, diesen im Gegenzug Pflichten aufzuerlegen, wie die Einhaltung bestimmter Standards oder Beiträge zur Entwicklung der einheimischen Wirtschaft.“

Offenbar hat die EU-Kommission aus dem MAI-Protest Mitte der 90er-Jahre gelernt: Die Europäer wollen jetzt doch nur noch Direktinvestitionen berücksichtigen, also Firmengründungen, Tochterniederlassungen und Übernahmen. Wer einfach nur Geld in Fonds oder Bauprojekte investiert, soll außen vor bleiben. Das mag auch eine Lehre aus den Finanzkrisen der späten 90er-Jahre sein: Kapital lässt sich von heute auf morgen außer Landes bringen, eine Fabrik nicht.

Auch hat die EU jenen umstrittenen MAI-Vorschlag gestrichen, nach dem ein Investor einen Staat verklagen kann. Solche Klagen sollen laut EU-Entwurf nur von Staat zu Staat möglich sein. Drittens soll das neue Abkommen eine Positivliste werden: Jedes WTO-Land soll explizit nennen dürfen, in welchen Bereichen es gilt. Im ersten MAI-Entwurf war noch von einer Negativliste die Rede. Die Regeln hätten dann automatisch für alle Bereiche gegolten, außer für eigens aufgelistete Ausnahmen.

„Wir fürchten allerdings, dass sich die EU auf Dauer von anderen WTO-Ländern weich klopfen lässt“, sagt WEED-Mitarbeiter Peter Fuchs. Die USA und Taiwan hätten bereits signalisiert, dass ihnen die EU-Position nicht weit genug gehe. Obendrein werden die WTO-Staaten auf der Konferenz in Cancún enorm unter Druck stehen, denn auf der Tagesordnung stehen ausschließlich Punkte, die bisher höchst umstritten sind: das neue Agrarabkommen, der Streit um den Patentschutz für Pharmaunternehmen, die Bedenken im Handel mit Dienstleistungen, um nur einige zu nennen. Gut möglich, dass die WTO im nächtlichen Sitzungsmarathon so genannte Pakete verabschiedet. Dann müssen alle Mitglieder Kompromisse machen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Kritiker des MAI befürchten, dass die EU dann lieber ein laxeres Investitionsabkommen in Kauf nimmt, als etwa ihre Agrarsubventionen weiter zu senken.

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