Die UNO misstraut den USA

Manipulierte künftige „Funde“ von Massenvernichtungswaffen im Irak werden nicht ausgeschlossen. Bisher kein Beweis für die Existenz solcher Waffen

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Nach den zahlreichen Fälschungen und unwahren Behauptungen zum Thema irakischer Massenvernichtungswaffen, derer die USA und Großbritannien bereits im Vorfeld des Irakkrieges überführt wurden, werden bei der UNO jetzt erneute Manipulationen durch die Regierungen in Washington und London befürchtet. „Wir wären nicht überrascht, wenn die amerikanischen und britischen Streitkräfte seit Beginn des Krieges im Irak Waffen oder Bestandteile versteckt haben, die demnächst von Rüstungsexperten der USA ‚entdeckt‘ und der Welt dann als irakische Waffen präsentiert werden“, sagte ein Spitzenbeamter der New Yorker UNO-Zentrale der taz. Entsprechend äußerten sich auch hochrangige Diplomaten mehrerer Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates.

Den Anlass für dieses Misstrauen hat die Bush-Administration selbst geschaffen mit ihrer strikten Weigerung, die UNO-Waffeninspektoren der Unmovic zurück in den Irak zu lasssen und stattdessen 1.500 eigene Rüstungsexperten zur Suche nach versteckten Waffen des ehemaligen Regimes in den Irak zu schicken. Eine Weigerung, der sich inzwischen auch die britische Regierung angeschlossen hat.

Seit Frühsommer letzten Jahres hatten die Regierungen Bush und Blair ständig behauptet, Irak verfüge weiterhin über Waffen, deren vollständige, international überwachte Vernichtung der UNO-Sicherheitsrat der Regierung in Bagdad auferlegt hatte. In im September 2002 von Washington und London veröffentlichten Geheimdienstdossiers hieß es, Irak verfüge zum einen aus der Zeit vor dem Golfkrieg von 1991 noch über umfangreiche Altbestände an chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen sowie über zehntausende von Tonnen und Litern von Grundstoffen zur Herstellung derartiger Waffen. Zum Zweiten – so die Vorwürfe aus Washington und London – habe Bagdad seit 1998 unter Verstoß gegen die Resolutionen der UNO die Produktion von neuen B- und C-Waffen sowie von ballistischen Raketen (mit Reichweiten von über 150 Kilometern) wieder aufgenommen und zudem versucht, Uran und Spezialröhren für ein Atomwaffenprogramm zu importieren. Die britische und US-Regierung äußerten zudem den Verdacht, Bagdad habe Massenvernichtwaffen an das Al-Qaida-Netzwerk oder andere Terrororganisationen weitergegeben oder beabsichtige dies.

Tatsächlich wurde bis heute nicht eine einzige dieser Behauptungen und Vorwürfe bewiesen. Die Inspektoren der Unmovik, die von Ende November bis zum Kriegsbeginn Mitte März in Irak nach Waffen suchten, waren zwar nicht überzeugt von Bagdads Erklärung, die Altbestände aus der Zeit von vor 1991 seien vernichtet worden. Andererseits fanden die Inspektoren lediglich kleine Reste von Grundstoffen sowie einige wenige, zumeist leere Giftgasgranaten. Mit Blick auf angeblich seit 1998 aufgenommene neue Rüstungsprogramme für ABC-Waffen – die von Bagdad entschieden dementiert wurden – haben die Inspektoren sämtliche konkreten Behautptungen aus Washington und London überprüft und als falsch widerlegt. Lediglich im Bereich der Raketenrüstung traf Unmovik-Chef Hans Blix unter massivem Druck der Bush-Administration die politische (von seinen eigenen Raketenexperten bezweifelte) Entscheidung, die irakische Rakete al-Samud 2 wegen der bei einigen wenigen Testflügen erzielten Reichweite von über 150 Kilometern als Verstoß gegen die UNO-Resolution einzustufen.

Auch die amerikanischen und britischen Truppen haben seit Kriegsbeginn noch keine vom ehemaligen Regime versteckten Waffen finden können. Dass solche Waffen noch irgendwo im Irak existieren, kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, ist angesichts der Bilanz der letzten fünf Monate seit Beginn der Unmovik-Inspektionen allerdings höchst unwahrscheinlich. Washington und London wollen sich mit der Waffensuche denn jetzt auch „viel Zeit lassen“ (Blair), „offensichtlich“ – wie die Washington Post diese Woche schrieb – „in der Hoffnung, dass die Welt bald vergisst, dass die angebliche Existenz verbotener Massenvernichtungswaffen im Irak und die davon ausgehende Bedrohung einst die Hauptrechtfertigung für den Krieg war“.