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Archiv-Artikel

Stille Räume

Eine Milchkanne, ein Kessel, einige Töpfe. Zwei Kühlschränke und ein Bett. Ist hier jemand daheim? Einblicke in die Wohnwelten alter Moskowiter

Fotos von SÖREN URBANSKY

Über das Leben alter Menschen in Russland kursieren in Deutschland viele Horrorgeschichten. Zumeist sind sie das Abbild der weit verbreiteten Vorstellung von Osteuropa als dem Armenhaus Europas. Und tatsächlich spiegeln sie einen Teil der postsowjetischen Realität wider. Die Wirklichkeit vieler älterer Menschen in der Russischen Föderation ist weiterhin von Armut und Verlust geprägt.

Doch woher beziehen wir unser Bild vom Leben in Russland? Über die Medien, über Bücher und Berichte. Nicht selten werden diese von jungen Freiwilligen transportiert, die nach Russland aufgebrochen sind, um dort zu helfen. Aus der Abenteuerlust wird oft die Erfahrung von Ohnmacht, und die sucht ihren Weg zu den Daheimgebliebenen. Fotos, Videofilme und Texte werden zur Illustration einer ärmlichen, bisweilen erbärmlichen Wirklichkeit.

Fern vom Imperativ des Helfens hat sich Sören Urbansky seinen „Klienten“ auf eigene Art genähert. Statt vom Leben gezeichnete Gesichter festzuhalten, hat er während seines Aufenthalts als Friedensdienstleistender in Moskau die häusliche Umgebung dieser Menschen abgebildet. Die fotografierten Lebenswelten wirken eigentümlich statisch und verschlossen, und doch kann man sich vorstellen, wie die Bewohner dieser Stuben im nächsten Moment vor dem Fernseher sitzen, zum Kühlschrank gehen oder auf der Couch einnicken.

Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeichnen ein Bild Moskauer Interieurs, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert zu haben scheinen. Sie stehen darüber hinaus für sich als puristische Abbilder der russischen Gegenwart. Und sie wecken Neugier: Wer sind die Menschen, die in jenen Räumen leben? FELIX ACKERMANN

SÖREN URBANSKY lebt zurzeit in Kasan an der Wolga, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan