: Ein Trainer, der Mut macht
Zum vierten Mal in der Rückrunde verliert St. Pauli in den letzten Minuten sicher geglaubte Punkte. 2:2 gegen Burghausen reicht kaum, um in der 2. Bundesliga zu verbleiben. Trainer Gerber redet Mannschaft und Psyche schlecht
Es gibt geschickte Redner, die verbal derart zu überzeugen wissen, dass selbst Falsches richtig klingen mag. Man kennt das aus der Politik. Aus dem Fußball weniger – seit Franz Gerber. Wie kein Zweiter versteht es der St. Pauli-Trainer seit Wochen, darauf hinzuweisen, unter welchen armseligen Verhältnissen er dafür Sorge zu tragen hat, einen einstigen Erstligisten in der 2. Bundesliga zu halten. Dabei wiederholt er Spiel für Spiel seine Klagearien, um zu erklären, warum das Unmögliche nun wirklich kaum mehr Möglich erscheint.
Nach acht (!) Punkten, die St. Pauli in der Rückrunde in den letzten Spielminuten verloren hat, legte DJ Franz Gerber nach dem 2:2 gegen Burghausen der Öffentlichkeit erneut die Platte auf, die ihn selbst als hilflosesten unter den Aktiven outet. „Bei soviel Pech weiß ich nicht, was ich noch hätte tun können“, sinniert Gerber wenig selbstkritisch. Nach dem Ausfall von Stammtorhüter Heinz Müller wurden die Ersatzkeeper öffentlich schwachgeredet. „Unser Torhüter-Problem ist genauso schlimm wie unser Sturmproblem“, sagte Gerber und demoralisierte die Offensive gleich mit.
Sowohl die Kritik einiger Profis an seinen Trainingsmethoden, wie an seinen Auswechslungen, versucht Gerber durch eine andauernde Wiederholung der Versäumnisse des Vereins in der Vergangenheit wegzurhetorisieren. Sind es nicht die vielen (trainingsbedingten Muskel-)Verletzungen, die seine Arbeit erschweren, liegt es an der fehlenden qualitativen Dichte des Kaders, die Gerber natürlich früheren Verantwortlichen zu verdanken hat. Das er selbst in der Zwischenzeit 10 Spieler verpflichten konnte, verschweigt Gerber vorsorglich. Und schon jetzt kann man die Klagen über den geringen Etat für die Regionalliga als Gerbers Argument im Abstiegsfall vernehmen, um sich möglicher Kritik zu entziehen.
Das er ein hartes Fitnessprogramm für die Profis mit Konditionstrainer Sonnenburg ausgearbeitet hat, führte Gerber auf den „desolaten körperlichen Zustand“ der Profis in der Winterpause zurück. Dass dieses Training teilweise kurz vor den Spielen trainingswissenschaftlich fragwürdig und zu verfrühter Ermüdung des Teams führen würde und so die Unkonzentriertheit in den letzten Minuten erklären könnte, gibt Gerber verhalten zu: „Es könnte sein, dass die harten Konditionseinheiten zum Ende der Saison zu einem Leistungsabfall führen, aber ich glaube, dass der psychische Druck für einige zu hoch ist.“ Mutmachende Worte (“Da haben sich einige Spieler vor der Kulisse verkrochen“) wie nach dem Spiel gegen Köln sind Aufputschmittel für eine psychologisch angeschlagene Mannschaft.
Mit Spannung darf erwartet werden, ob Franz Gerber dem bislang so glücklosen Team für die verbleibenden drei Spiele nicht nur Pech, sondern auch Glück herbeireden kann. Die rhetorischen Fähigkeiten um den Fußballgott vom Klassenerhalt des FC St. Pauli zu überzeugen hat Gerber zweifelsohne. Er müsste nur zum Zuhören gezwungen werden. FOG
Demobericht siehe S. 22