: Noch dreimal Bundesliga
Auch ohne Klaus Augenthaler verliert Nürnberg mit 1:2 gegen die schielenden Löwen desTSV 1860 München. Nicht nur für Neu-Trainer Wolfgang Wolf ist das der Anfang vom bitteren Ende
aus Nürnberg TOBIAS SCHÄCHTER
Wenn Michael A. Roth spricht, dann untermalt ein seltsames Geräusch seine Worte. Ein Geräusch, das an eine Handsäge erinnert, die sich gerade in ein Stück Holz frisst. Auch am Samstag, nach der 1:2 Heimniederlage des 1.FC Nürnberg gegen 1860 München, konnte man aus dem Gesagten des Präsidenten des fränkischen Traditionsclubs die Späne nur so fliegen hören: „Für diese fast aussichtslose Situation bin ich nicht verantwortlich“, wies Roth noch einmal jede Schuld an dem nun fast sicheren Abstieg der Nürnberger von sich und krächzte verdächtig leise: „Diese Mannschaft haben Klaus Augenthaler und Edgar Geenen zusammengestellt.“
Dafür musste Augenthaler, die am Ende fast sprachlose, Fleisch gewordene Zerknirschtheit, letzten Mittwoch gehen. Und dies, obwohl der Präsident noch vor Wochen, nach einem basisdemokratischen Votum der Fans für ihren „Auge“ populistisch versprochen hatte, mit diesem Trainer notfalls auch in die zweite Liga zu gehen. Roths Wort also nichts wert, Auge weg, und auch Geenen nicht mehr lange da. Denn nach den jüngsten Aussagen Roths, scheint der Ast, auf dem Geenen in Nürnberg sitzt, so gut wie durchgesägt. Am Samstag jedenfalls war der sonst so gesprächige Manager, der bei der 9:0 Kantersieg-Abstimmung gegen Augenthaler brav sein Händchen hob, wortlos und schnell an den Reportern vorbeigedribbelt. „Kein Kommentar“, hörte man den blassen Geenen nur grummeln.
So war es an Wolfgang Wolf, dem neuen Trainer im Reich des lustvollen Hobbysägers, die wieder einmal klägliche Vorstellung der Nürnberger Profis zu erklären. „Die Mannschaft hat vielleicht zu viel gewollt“, meinte der 45-Jährige. Nach nur vier Trainingseinheiten und einem Spiel, dies gab der Pfälzer freimütig zu, „ist nicht mehr viel Hoffnung da, die Klasse zu halten“. Noch dreimal darf der Club in der Bundesliga versuchen, die fünf Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz aufzuholen, bevor der Weg des neunmaligen deutschen Meisters zum sechsten Mal hinunter ins Tal der Zweitklassigkeit führt.
Wolf wird in Nürnberg nicht zum Retter. Um dies zu behaupten, muss man kein Prophet sein. Vielleicht muss man nur wie einer daherkommen, einen weißen Bart tragen und Teppiche verkaufen: „Der Wolf ist ja auch kein Wundermann“, wusste jedenfalls Michael A. Roth schon am Samstag um 17.32 Uhr. Immerhin: Als erst 60 Sekunden gespielt waren, Müller flankte und der von Wolf reaktivierte Driller die Führung erzielte, da schien sogar in der Nordkurve des Frankenstadions, wo die treusten der Treuen schon lange den Glauben an diese Mannschaft verloren haben, so etwas wie Hoffnung aufzukeimen. Aber das, was die Nürnberger in den folgenden 89 Minuten ihrem gebeutelten Publikum boten, bündelte Wolf wie folgt: „Man hat gesehen, warum wir unten stehen.“ Das 1:2 fiel entsprechend in Überzahl, da der Münchner Costa in der 61. Minute Rot gesehen hatte.
Der 1. FC Nürnberg, in der letzten Saison nur erstklassig geblieben, weil es tatsächlich Mannschaften gab, die noch schlechter waren, ist eine Mannschaft ohne Hierarchie, mit einer Abwehr, die vorwiegend unorganisiert ist, und deren Mitglieder im Spielaufbau unfassbare Fehlpässe produzieren. Und im Sturm ist mit Sasa Ciric ein alter Mann aus Mazedonien, nicht zu ersetzen, wie am Samstag gesehen. Nein, an Wunder glaubt Wolfgang Wolf nicht. Er sagt: „Das sieht nach zweiter Liga aus.“
Der hemdsärmelige Wolf musste in Wolfsburg gehen, weil man dort der durch ihn verkörperten Bodenständigkeit nicht zutraute, die Retorte VfL in die anvisierte Champions League zu hieven. Sein Einstand in Nürnberg, als Aufbruch zur Aufholjagd gedacht, strandete in einem Anfang vom endgültigen Ende.
Dabei wäre es gegen einen Gegner, der im Niemandsland der Tabelle dümpelt, nicht schwer gewesen zu gewinnen. Die Sechziger spielten wie schielende, alt gewordene Zirkuslöwen, die statt durch den Ring an selbigem vorbeispringen. Dass ausgerechnet der in der Halbzeit eingewechselte Thomas Häßler das Spiel mit seinen gescheiten Pässen drehte, quittierten die Fans der Löwen mit „Icke Häßler“-Sprechchören und „Wildmoser raus“-Rufen. Dabei wollte der von Löwen-Präsident Wildmoser gemobbte Häßler letzte Woche die Brocken schon hinwerfen. Nicht nur sein Vertrag wird nicht verlängert, auch der anderer Altgedienter, wie Martin Max, nicht. Mit Benjamin Lauth, dem zweifachen Torschützen vom Wochenende, haben sie in München wenigstens einen 21-jährigen Hoffnungsträger. Den muss sich Wolfgang Wolf in Nürnberg aus den Spänen der abgesägten Äste erst noch zimmern.
1. FC Nürnberg: Kampa - Paßlack (45. Stehle), Nikl, Frey (67. Junior), Kos - Larsen, Jarolim, Krzynowek, Müller - Cacau, Driller1860 München: Jentzsch - Stranzl (45. Häßler), Kurz, Costa, Hoffmann - Wiesinger, Cerny, Shao (63. Votava), Tyce - Lauth (90. Max), SchrothZuschauer: 35.558; Tore: 1:0 Driller (1.), 1:1 Lauth (56.), 1:2 Lauth (73.)Rote Karte: Costa (61.)