: Bonmots und Spitzen gegen alte Feinde
Im Kölner Müllskandalprozess glänzt Franz-Josef Antwerpes mit der bekannten Antwerpes-Show. Zur Wahrheitsfindung trägt der Ex-Regierungspräsident wenig bei. Die Müllverbrennungsanlage bleibt für ihn auch in ihrer realisierten Größe notwendig
VON PASCAL BEUCKER UND FRANK ÜBERALL
Echte Fründe stonn zesamme. Das konnte man anschaulich beim gestrigen Verhandlungstag des Kölner Müllskandalprozesses beobachten. Mit Norbert Rüther und Franz-Josef Antwerpes unterhielten sich zwei einstige Genossen vor dem Saaleingang lebhaft über „alte Zeiten“. „Ich gehöre nicht zu den Menschen, die andere plötzlich nicht mehr kennen“, rief Antwerpes den in der Nähe stehenden Journalisten zu. Eine Linie, der er auch im Zeugenstand treu blieb.
„Ich glaube nicht, dass der Rüther über die Danke-Schön-Spenden hinaus Geld genommen hat“, gab Kölns ehemaliger Regierungspräsident zum Besten. „Ich traue dem das nicht zu“, so Antwerpes über Kölns Ex-SPD-Ratsfraktionschef, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, eine Million Euro aus dem Schmiergeldtopf des Gummersbacher Anlagenbauers Steinmüller kassiert zu haben. „Man hat ja ein gewisses Menschenbild“, betonte Antwerpes. Das war denn dann sogar dem Vorsitzenden Richter Martin Baur zu viel: „Kriminalistik ist nicht jedermanns Sache“, wies er den früheren „roten Kurfürst“ zurecht: „Und auch nicht Ihre Aufgabe als Zeuge!“
„Immer Ärger“ mit Höhn
Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten ließ Richter Baur ansonsten Anwerpes weitgehend ungestört seine Anekdötchen und Bonmots („Ich habe ja schon alles gesagt, nur nicht allen“) vorbringen, ohne ihn durch allzu kritische Fragen aus seinem Erzählfluss zu bringen. Und der Träger des kubanischen „Ordens der Freundschaft“ nutzte die Gelegenheit dankbar. So trug seine Aussage zwar wenig zur Wahrheitsfindung, aber viel zur Erheiterung der Anwesenden im Gerichtssaal bei.
Da Selbstzweifel ohnehin seinem Wesen völlig fremd sind, ist Antwerpes auch nach wie vor fest davon überzeugt, dass die von ihm stets eifrig protegierte Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) – „Kölns größte Investition, sieht man mal vom Kölner Dom ab“ – auch in ihrer realisierten Größe notwendig war. So gäbe es die gegenwärtigen Überkapazitäten des gigantischen Müllofens nur noch bis Ende diesen Jahres, weil dann die Ablagerung des Abfalls auf Deponien verboten sei. Also sei die MVA keineswegs überdimensioniert, wie beispielsweise immer wieder die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) behaupte. Mit der allerdings habe er ohnehin „immer Schwierigkeiten“ gehabt, „nicht nur auf diesem Sektor“.
Keine Schwierigkeiten hingegen hatte der 69-Jährige mit Hellmut Trienekens, der heute allerdings leider ein „gebrochener Mensch“ sei. Mit dem auch im Kölner Müllskandal unter Korruptionsverdacht stehenden einstigen Viersener Müllmonopolisten, der sich bislang aus Gesundheitsgründen noch nicht vor Gericht verantworten musste, habe er sich „im Juli oder August“ zum letzten Mal zum Mittagessen getroffen.
Trienekens als Opfer
Antwerpes schilderte Trienekens, dem eine Antikorruptionskommission der NRW-Landesregierung attestierte, „ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger“ aufgebaut zu haben, als einen „sehr netten Mann, der viel lächelte“. Er sei immer „sehr freigiebig“ gewesen, habe „alle bedient“ und „auch karitativ sehr viel gemacht“: „Trienekens hat überall Spenden hinterlassen.“ Deswegen sei man in Viersen, der Heimatstadt von Antwerpes wie auch von Trienekens, sehr traurig über dessen tiefen Fall. Das Gerücht indes, er und der „Big Spender“ – so Antwerpes – seien nicht nur gut bekannt, sondern auch bereits Klassenkameraden gewesen, dementierte Antwerpes heftig: „Da sieht man mal, wie die Phantasie meiner Feinde Purzelbäume schlägt.“
Wenn es um seine Feinde geht, kommt Antwerpes natürlich auch schnell auf Lothar Ruschmeier zu sprechen. Nach dessen Ausscheiden als Kölner Oberstadtdirektor 1998 habe er ihn nur noch zweimal getroffen, aber beide Male habe Ruschmeier ihn „nicht mal gegrüßt“. Antwerpes revanchierte sich, in dem er immer wieder indirekte und direkte Spitzen gegen seinen sozialdemokratischen Parteifreund in seine Aussage einbaute.
So begründete Antwerpes sein Faible für Aktenvermerke mit dem Hinweis: „Es gibt ja viele Leute, die sich an nichts mehr erinnern.“ Überhaupt habe er sich über Ruschmeiers ausgeprägte Gedächtnislücken vor Gericht „sehr gewundert“. Denn schließlich sei dessen Gedächtnis immer exzellent gewesen: „Der wusste alles besser!“