: Sinkende Strompreise sind nicht in Sicht
Das neue Energiewirtschaftsgesetz liegt vor. Die großen Stromkonzerne sind zurückhaltend bis zufrieden, die Verbraucherschützer sehen jedoch Bedarf an Nachbesserungen. Greenpeace befürchtet das Aus für die Kraft-Wärme-Kopplung
VON KATRIN EVERS
In fünf Monaten soll die Regulierungsbehöde für den deutschen Strom- und Gasmarkt ihre Arbeit aufnehmen, die Quasimonopole der Netzbetreiber aufbrechen und für sinkende Preise sorgen. Das hoffen zumindest die Stromkunden. Mit welchen Kompetenzen die Behörde über den Markt wachen kann, steht im neuen Energiewirtschaftsgesetz. Seit Ende letzter Woche liegt der Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium vor.
105 Paragrafen umfasst das neue Gesetz, das die Spielregeln für den deutschen Strom- und Gasmarkt unter Berücksichtigung von Versorgungssicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz festlegen soll. „Für den Strombereich ist das eine gute Diskussionsgrundlage“, urteilt Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen. „Für den Gassektor hätten wir uns einen mutigeren Ansatz gewünscht.“ Der bleibt nämlich auch künftig vom Wettbewerb weitgehend verschont.
Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch machte bei der Präsentation der Arbeit aus seinem eigenen Hause keinen Hehl daraus, dass er nicht viel von Gesetz und Behörde hält – auch oder gerade weil beides von der EU vorgeschrieben ist. „Ob so ein Regelwerk im europäischen Wettbewerb zur Flexibilisierung beiträgt, ist fraglich“, sagte er.
Zahlreiche Details sind in dem Gesetzestext noch offen, sie sollen Mitte März durch nachgeschaltete Verordnungen geregelt werden. Bei dem, was bislang vorliegt, sieht es aus, als seien die großen Stromkonzerne die Gewinner, die Verbraucher einigermaßen gut bedient und als sei die Umwelt die Verliererin.
Konkret müssen Stromversorger, die über 100.000 Kunden haben, ihre Geschäftsbereiche Stromnetz und Stromvertrieb in Zukunft voneinander trennen. Das soll Quersubventionen vermeiden, gleiche Bedingungen für andere Netznutzer schaffen und so für niedrigere Strompreise sorgen. Die Vertreter der industriellen Energieverbraucher hatten eine Schwelle bei 25.000 Kunden gefordert. Zudem ist diese Entflechtung bislang nur halbherzig: Zwar müssen Buchhaltung, Personal und Gesellschaftsrechte getrennt werden, nicht aber Eigentumsrechte. Vor allem aber besteht keine Aussicht auf Preissenkungen, weil die Netzeigentümer die Durchleitungsgebühren – die gut 40 Prozent des Strompreises ausmachen – weiterhin nach der freiwilligen Verbändevereinbarung berechnen dürfen.
„Das sind beherrschbare Veränderungen“, hieß es bei dem Energiekonzern RWE. Zurückhaltender ist Eon-Sprecher Klaus Werner: „Wir warten gespannt auf die Verordnungen.“
Der Bund der Energieverbraucher und die Verbraucherzentrale kritisieren, dass das in Verbraucherfragen zuständige Ministerium gar nicht eingebunden worden sei. Stattdessen könne das nun allein zuständige Wirtschaftsministerium bei der Umsetzung der Vorgaben schalten und walten, wie es wolle.
Über einen Punkt aber dürfen die Verbraucher sich freuen: Ihre Verbände können ihre Energieversorger künftig bei Konflikten auf Schadenersatz verklagen. Doch auch hier gibt es einen Haken: „Die zu erwartende Flut an Klagen wird die zuständigen Gerichte völlig überlasten“, so der Rechtswissenschaftler Bernd Holznagel von der Universität Münster. „Das wird den Wettbewerb auf Jahre aufhalten.“
Die vermeintliche Säule Umweltschutz fehlt in dem Gesetz ganz. Die Vorgabe, mehr Anreize für Energieeffizienz zu schaffen und damit Kohlendioxid einzusparen, kommt lediglich in einem Halbsatz vor – und bleibt damit sogar hinter den Forderungen der EU zurück. „Auch bei der Kennzeichnung von Strom muss nachgebessert werden“, sagt Sven Teske, Energieexperte von Greenpeace. „Stromversorger sollen ihre Kunden nicht nur über den Energiemix, sondern auch über dessen Umweltwirkung, also den anfallenden Atommüll und die CO2-Emissionen, informieren müssen.“ Als „Hammer“ aber bezeichnet Teske die Paragrafen zur dezentralen und besonders umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): Betreiber von Anlagen mit einer Leistung von über 50 Kilowatt würden von der Grundversorgung ausgeschlossen und müssten Strom sehr teuer einkaufen, wenn die Anlage ausfalle. „Das wäre das Aus für die umweltfreundliche KWK in Krankenhäusern, Schwimmbädern und Schulen.“