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Archiv-Artikel

Bahn mit nettem Zug

Bundesregierung will Konzern per Gesetz zu mehr Service zwingen. Bahn-Vorstand: Umstrittenes Preissystem wird womöglich noch 2003 revidiert

von HANNA GERSMANN

Mehr Service! Bessere Haftung! Weniger Pannen! – Vertreter von Fahrgast- und Verbraucherverbänden wie Pro Bahn, Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Bundesverband der Verbraucherzentralen sprachen den Bahnkunden aus der Seele, als sie gestern im Verbraucherausschuss des Bundestages ihre Forderungen an die Bahn aufstellten. Dessen Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin (SPD) hatte die Verbände sowie die Deutsche Bahn AG, den Konkurrenten Connex und den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geladen, um „verbraucherpolitische Aspekte im öffentlichen Personenverkehr zu diskutieren“.

Den langen Titel hätte sie sich sparen können. Vor allem darum ging es: Wie kann die Bahn nettere Züge bekommen? Bahnvorstand Hans Koch warnte sogleich: „Jedes Mehr an Verbraucherschutz kostet Geld.“ Bisher gehen Pannen vor allem zulasten der Kunden. Rainer Engel vom Fahrgastverband Pro Bahn nannte Beispiele. Fall 1: Die Berliner Eheleute Meier reisen spontan nach Frankfurt am Main, wollen dort ins Musical. Für die Fahrkarte zahlen sie 200 Euro. Der Zug bleibt liegen, sie kommen an, als das Theater längst vorbei ist. Fahrkarte, Eintritt, Hotel – umsonst gezahlt. Kein Cent wird erstattet. Fall 2: Hans Adam hat den ICE um 6.56 nach Frankfurt mit Rabatt gebucht. Er ist spät dran, hetzt auf den Bahnsteig, sieht den Zug, steigt ein. Es ist der Zug, der planmäßig um 6.52 abführe, er ist 4 Minuten verspätet. Seine Fahrkarte sei ungültig, erklärt der Schaffner, droht mit dem Bundesgrenzschutz. Adam zahlt den vollen Preis noch einmal.

„Das ist die Realität – und geltendes Recht“, so Rainer Engel. „Verbraucherschutz im öffentlichen Personenverkehr gibt es nicht“, bestärkt ihn Gerd Lottsiepen vom VCD. „Reisende sind bisher auf Gnade und Kulanz angewiesen.“ Holger Jansen vom Verbraucherzentrale-Bundesverband fordert darüber hinaus: „Es muss möglich sein, Fahrscheine bis zum ersten Geltungstag zurückzugeben.“ Dafür solle die Bahn auf den Tickets eine Servicenummer angeben.

Däubler-Gmelin dämpfte die Erwartungen: „Wir haben keine politischen Möglichkeiten, die Bahn ist ein Unternehmen.“ Eines, das zu hundert Prozent der Bundesrepublik gehört. Umso mehr erstaunte, dass der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt und seine Parteikollegin Ulrike Höfken, die für den Verbraucherschutz zuständig ist, erst am vergangenen Wochenende ein Gesetz ankündigten. Es soll die Deutsche Bahn zwingen, beispielsweise ihre Stornogebühren von 45 Euro zu senken. Die Bahn macht der Bundesregierung Sorgen: Das Mitte Dezember eingeführte Preissystem bringt die Volksseele in Aufruhr, der zeitgleich eingeführte Fahrplan erweist sich als viel zu eng getaktet. Der ICE 3 auf der Vorzeigestrecke zwischen Köln und Frankfurt hat Pannen.

Doch Bahnchef Hartmut Mehdorn weist jede Kritik von sich. Der staatliche Anteilseigner, der offenbar im Aufsichtsrat nicht genug Druck auf den Oberbahner machen kann, greift jetzt nach neuen Mitteln. Womöglich wirkt es. Zumindest Bahnvorstand Koch erwog gestern, das Bahnpreissystem schon vor Ablauf des Jahres zu ändern.

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