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Archiv-Artikel

Rektoren entdecken Frauenfrage

Historische Premiere: Herrenclub der Uni-Chefs diskutiert Geschlechterverhältnis

BERLIN taz ■ „Grummelnde Kommentare“ vernahm Präsident Klaus Landfried, als er ankündigte, die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) dem Thema „Frauen in der Wissenschaft“ widmen zu wollen. Viele seiner Kollegen glaubten, das Thema erfolgreich an Frauenforscherinnen und Frauenbeauftragte abgeschoben zu haben. Und die machen doch wahrlich genug Lärm, wird der eine oder andere gedacht haben. Das genau aber war der An- lass, das Thema zum ersten Mal bei der HRK überhaupt auf die Agenda zu setzen. In Dresden sind die Frauenbeauftragten nicht unter sich: Das Publikum besteht zur Hälfte aus Rektoren, das heißt zu etwa 93 Prozent aus Männern.

Der scheidende HRK-Präsident Landfried ist eine Ausnahme seines Standes. Statt warmer Worte schlug er gestern Handfesteres vor: Kinderbetreuung an allen Hochschulen, Arbeitszeitkonten für WissenschaftlerInnen und ein überuniversitäres Gremium, das Berufungsverfahren überwacht – „Transparenz schützt vor Versuchungen“, so Landfried vielsagend.

Hintergrund für die Einschätzung, dass „wir mit dem Erreichten nicht zufrieden sein“ können, ist das: Studentinnen machen zwar mittlerweile bessere Uni-Abschlüsse als ihre männlichen Kollegen – im wissenschaftlichen Nachwuchs fehlen sie aber weitgehend. Der Anteil der Frauen an der Professorenschaft stagniert bei 10 bis 11 Prozent, peinlich weit hinten im internationalen Vergleich.

Der Schub, den man sich von Sonderprogrammen, Quoten, Frauenbeauftragten und der Emeritierungswelle erwartet hatte, blieb aus. Also thematisiert man nun Besetzungskartelle, Vorurteile und strukturelle Schwierigkeiten. So etwa die Tatsache, dass Menschen, die Kinder haben, mit Kitas, die um 17 Uhr schließen, herzlich wenig anfangen können, wenn um 18 Uhr das Colloquium beginnt.

„Für uns sind das natürlich alte Hüte“, so reagiert die Frauenbeauftragte der Technischen Uni Berlin, Heidi Degethoff de Campos. „Aber dass jemand in dieser herausragenden Position so etwas vorschlägt, ist natürlich politisch enorm wertvoll.“ Auch die Soziologin Sigrid Metz-Göckel, Expertin für Frauen an Unis, macht in den Hochschulen immer noch eine Frau- en abweisende Atmosphäre aus: „In den USA oder in Frankreich ist die Stimmung ganz anders. Da werden Frauen selbstverständlich ebenso gefördert wie Männer.“ Wer sich nicht mit solchen Subtilitäten aufhalten will, hält sich an die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Jede zweite Professur mit einer Frau besetzen“, lautete gestern deren Forderung so schlicht wie umstürzlerisch. HEIDE OESTREICH

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