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Archiv-Artikel

Kündigen statt reden

Streit um Verträge: Sozialsenatorin spricht nicht mit Wohlfahrtsverbänden über Jugendhilfe. Künftig zwölf Jugendliche in einer Wohngruppe

von KAIJA KUTTER

Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW) bekommt keinen Gesprächstermin bei Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU). „Wir haben vor acht Wochen nach einem Termin angefragt und keinen bekommen“, berichtet Michael Edele, der Sprecher der AGFW, in der das Diakonische Werk, die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutsche Rote Kreuz vertreten sind.

Ein paar Gespräche scheinen durchaus angebracht, hat doch die Sozialsenatorin im Herbst die Rahmen- und Einzelverträge zu den „Hilfen zur Erziehung“ (HZE) gekündigt. Bis auf den Paritätischen Wohlfahrtsverband haben alle Verbände nun den Rechtsweg beschritten, die Sache liegt jetzt bei einer laut Sozialgesetzbuch dafür zuständigen Schiedsstelle, die Ende März tagen wird. Edele zufolge wäre man aber durchaus bereit, die Schiedsstellen-Anträge zurückzuziehen, wenn sich auf Gesprächsebene eine Lösung abzeichnet.

Unter HZE wird die ambulante und stationäre Betreung von rund 5.500 Kindern und Jugendlichen verstanden; drei Viertel dieser Hilfen bietet die AGFW an. Die Sozialbehörde will vier Millionen Euro aus dem HZE-Etat (insgesamt 129 Millionen Euro) in präventive Projekte umschichten. Da darüber hinaus kein Teuerungsausgleich gewährt wird, sprechen die Verbände von zwölf Millionen Euro Kürzung. Außerdem sollen die Träger mit den Bezirken „regionale Versorgungsverträge“ unterzeichnen, in denen sie für eine Pauschalsumme alle Fälle betreuen müssen – unabhängig vom Bedarf.

Zudem, so Edele, habe Schnieber-Jastram im Sommer per Dienstvorschrift die Sätze für die „ambulanten Hilfen“ bis um die Hälfte gekürzt. Da auch die Tagessätze für Jugendwohnungen gekappt wurden, müssten dort künftig zwölf statt acht Jugendliche untergebracht werden, berichtet Martin Apitzsch vom Diakonischen Werk. Dies sei eine Kürzung, die die Kosten nur steigere: Die bezirklichen Jugendämter wählten für ihre Fälle immer häufiger die personell bessere auswärtige Unterbringung. „Schon jetzt“, so Apitzsch, „liegt der Anteil bei 38 Prozent.“ Die Behörde argumentierte dagegen in einer Pressemitteilung, dass die Aussattung im Bundesvergleich immer noch gut sei und es vor allem darum ginge, die „Overhead“-Kosten zu reduzieren.

Über alle diese Zusammenhänge würde die AGFW gern ein „fachpolitisches Gespräch“ mit der Senatorin selbst führen, da die Gespräche mit dem Leiter des Amtes für Jugend, Uwe Riez, nicht fruchteten.

„Solch ein Gespräch liegt derzeit nicht an“, erklärt dagegen der Sprecher der Sozialbehörde, Oliver Kleßmann. Solange das Schiedsgerichtverfahren anhängig sei, seien Gespräche mit der politischen Leitung „nicht geboten“ und Riez gar das rechtlich vorgeschriebene Gegenüber.

„Für uns wäre so ein Gespräch nach wie vor wichtig, gerade wenn so etwas Gravierendes passiert wie Verträge zu kündigen“, bekräftigt dagegen Diakonie-Sprecherin Katharina Weyandt. Beim vergleichbaren Thema Kita hätten die zuständigen Bildungssenatoren Rudolf Lange und Reinhard Soltau sehr wohl die Zeit dafür gefunden.