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berliner szenen Therapie mit Pferden

Eisern wie Eißfeldt

Als Fabian mal wieder in seinem Lieblingskaffeehaus in Mitte saß, sagte ein norddeutscher Rapper einem Journalisten dieser Zeitung: „Der Milchkaffee suppt aus der ganzen Generation. Die denken, die sind am Start, weil sie Geld für eine Sache ausgeben. Aber dadurch, dass sie keine Inhalte mehr haben, nehmen sie den ganzen Widerstand und die kritische Grundhaltung heraus, die da mal waren.“ Sich angesprochen fühlend, änderte Fabian seine nachmittäglichen Ausgehgewohnheiten. Statt Milchkaffee sollte es einfacher Kaffee sein, und auch das mit den Inhalten wollte Fabian geprüft haben: Statt weiterhin alleine zu sitzen, suchte er fortan die Nähe von Gruppen und spielte den Kommunikationsparasiten.

Er setzte sich zu einem Trupp junger Mädchen, die Beziehungsprobleme diskutierten. Dabei kauten sie auf Graumasse. Ihre Füße waren in weiße Söckchen gesteckt, die bereits erste Löcher trugen. Auf ihren Lippen perlte Milchschaum, und trotzdem gebrauchten sie Wörter wie „Therapie mit Pferden“ oder „Generationskonflikt“. Am Nebentisch las eine gut aussehende Viertellebenskrisengeschüttelte in einem Buch von Marcel Proust. „Lässig, aber doch inhaltsorientiert“, dachte Fabian beruhigt, „jetzt muss nur noch kritische Grundhaltung generiert und Widerstand geleistet werden.“ In diesem Moment fing eine Hippiegestalt an, den Lagerfeuerhit der Jahre 1994 bis 2003 zu singen: „Du bist so spezial/aber ich bin ein Drecksack.“ Und tatsächlich: Wie auf Stichwort griff das gesamte Kaffeehaus zu den Handys, um den Hippie zu bewerfen! Vereinzelte spuckten sogar mit Milchkaffee!

Naja, ganz so war es dann doch nicht. Wäre aber auch zu schön gewesen, gelle, Eizi Eiz?

RENÉ HAMANN

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