: Haitis Peiniger frei
Nach dem Rücktritt von Präsident Aristide flohen Putschisten, Gangster und Folterer aus dem Gefängnis
SANTO DOMINGO taz ■ Eilig hat Exgeneralleutnant Prosper Avril die Mauern des Zentralgefängnisses von Port-au-Prince hinter sich gelassen. Familienangehörige warteten am vergangenen Montag schon am Gefängnistor. Der Exmilitär saß in Haft, weil er während seiner Präsidentschaft, die er sich im September 1988 mit Waffengewalt verschaffte, die Verhaftung und das Foltern von Oppositionellen angeordnet hatte. Auch der spätere Bürgermeister von Port-au-Prince und inzwischen entschiedene Gegner von Expräsident Jean-Bertrand Aristide, Evans Paul, wurde bei den von Avril angeordneten Misshandlungen verletzt.
Avril floh jetzt in „guter Gesellschaft“. Über den Verbleib der knapp 500 anderen geflohenen Häftlingen, darunter zahlreiche Drogendealer, ist aber nichts bekannt. Außer kleinen Gelegenheitsdieben und Räubern, die in den engen und überfüllten Haftzellen saßen, gelangte auch der Exmilitär Castera Cenafils in die Freiheit. Er hätte eigentlich lebenslänglich hinter Gittern bleiben sollen. Er trage, so stellten die Richter in ihrer Urteilsbegründung fest, die Verantwortung an einem Massaker in Raboteau, im Armenviertel von Gonaïves. Es wurde verübt, als der Exinnenminister unter „Baby Doc“ Jean Claude Duvalier, Roger Lafontant, kurz vor dem Amtsantritt von Jean-Bertrand Aristide noch einmal versuchte, das Ruder herumzuwerfen und den Amtsantritt des „Armenpriester“ gewaltsam zu verhindern.
Während Avril und Cenafils im Durcheinander das Weite suchten, hielt vor der Polizeidirektion von Port-au-Prince in der unmittelbaren Umgebung des Präsidentenpalastes Luis-Jodel Camblain Hof. Der Feldkommandeur der Rebellen befehligte während der Militärdiktatur von Raoul Cedras die berüchtigten Todesschwadronen. Cedras hatte Aristide kurz nach dessen Wahl gestürzt. Erst 1994 wurde Cedras mit Hilfe von US-Marines aus dem Amt vertrieben, Aristide kehrte in den Präsidentenpalast zurück. Camblain wurde wegen seiner Verantwortung für hunderte „extralegaler Hinrichtungen“ in Abwesenheit zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt.
An der Seite von Chamblin zog auch Jean Pierre Baptiste in Port-au-Prince ein. Der „Jean Tatoune“ genannte frühere Anführer einer paramilitärischen Gruppe saß bis August 2002 in Gonaïves in Haft. Er hatte bei einem Massaker im Armenviertel Raboteau mitgemacht. Dann befreiten Mitglieder der Duvalier-Armee ihren Chef Amiot Métayer und Tatoune gleich mit. Aus den Gegnern von einst wurden Freunde. Sie einte der Hass auf Aristide und eine eigenwillige Interpretation der Menschenrechte. HANS ULRICH DILLMANN