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Archiv-Artikel

Der Gang der Ghettofliege

Metaphysische Heilung: Amp Fiddler aus Detroit kennt die Hood so gut wie den Jazz der Milchstraße

Am Samstag, den 3. Dezember 2003 trug sich im Gebäude des Liberté zu Rennes Folgendes zu: Ein Mann saß am Keyboard. Er bewegte sich sehr verhalten. Jede Geste aber, jeder Blick zu den Mitmusikern und den Sängerinnen vermittelte eine einzige große Freude.

Eine Freude, hier endlich zu sitzen und zum ersten Mal dem europäischen Publikum eigene Songs vorstellen zu dürfen. Offensichtlich ließ sich Joseph „Amp“ Fiddler auch von den Vibe-Rückkopplungen aus der ergriffenen Menge anstecken. Denn was er da gab an diesem Nikolaustag, an dem ein Mann aus einer anderen Welt die Geschenke nach Mitteleuropa zu bringen pflegt, war ein Präsent aus einer anderen Welt. Schwebende Soulsongs wurden gefeiert, unterlegt mit schweren HipHop-Beats und mithilfe leichter Dosen Elektronik durcharrangiert.

Nun ist der Detroiter kein Jungspund. Der Keyboarder und Sänger hat viele Jahre bei den Raumreisenden des Funk um George Clinton verbracht, zum Beispiel Keyboard bei Parliament gespielt. Auch für Prince, die Brand New Heavies und Maxwell hat der Mann die Tasten berührt. So was bringt Erfahrung, die er wiederum HipHop-Produzenten wie etwa Jay Dee in Workshops weiter gereicht hat. Wie Fiddler nach dem Konzert in Rennes erzählt, helfen solche Lehrveranstaltungen ja nicht nur dem Schüler. Die Musiker, die ihn beeinflussen, seien „alle, die jetzt HipHop produzieren“. Als da wären: „D12, Pharell von den Neptunes, und natürlich Jay Dee.“ Die besuchten allesamt als Jugendliche seine kostenlosen Musik-Kurse in Detroit.

Was zur Lichtmesse von Rennes geführt hat, ist damit längst noch nicht geklärt. Man sollte es vielleicht Straßen-Astronomie nennen. Denn mit dem Begriff fängt man das ein, was selten vor Fiddler jemand versucht hat: Das Leben auf der Straße mit dem kosmischen Jazz eines Sun Ra zu vereinen. Eine Hälfte bestritt Fiddler im scharfen Seventies-Anzug, die andere im bunten Gewand eines Sternenreisenden. „Die Musik von Sun Ra und Thelonius Monk ist eine metaphysische Heilung“ lautet sein Kommentar zu diesem Outfit.

Und was ist nun der „Waltz Of A Ghetto Fly“, der seiner ersten Soloplatte den Namen gibt? „Das ist eine Art zu gehen: Du tänzelst, hältst dich aufrecht, und bei jedem Schritt drehst du deinen Kopf zur Seite. Selbst wenn du nichts hast, zeigst du mit diesem Gehstil, dass du deinen Stolz bewahrst.“ Christoph Braun

heute, 22 Uhr, Mandarin Casino