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Archiv-Artikel

Lehrfilme als Wunderwerke

Das Discovery Channel am Potsdamer Platz ist das erfolgreichste Imax-Kino der Welt. Dennoch tritt die Geschichte der großen gekrümmten Leinwände gerade auf der Stelle

Mehr als 700 Millionen Zuschauer sollen bislang einen Imax-Film gesehen haben

Am Marlene-Dietrich-Platz wird wieder der Zeigestock geschwungen. „Bäume sind die größten Landlebewesen“, referiert es aus dem Off. Im Discovery Imax Theater kann man was lernen. Beispielsweise wie es so zugeht im „Tropischen Regenwald“: Im gleichnamigen Film, der heute startet, erfahren wir, dass dort „die Vielfalt der Formen unerschöpflich ist“. Dazu züngeln Schlangen durchs Dickicht und der Dschungel dampft.

„Tropischer Regenwald“ ist typisch für das Futter, mit dem der Imax-Konzern jene Filmtheater, die mit der aufwändigen Technik ausgerüstet sind, beliefert. Die erfolgreichste dieser weltweit inzwischen mehr als 200 Spielstätten in über 30 Ländern ist tatsächlich das Discovery Channel Imax Berlin mit mehr als einer Million Besucher im Jahr. Man wirbt mit einer 1.000 Quadratmeter großen Leinwand, die die größte Deutschlands sein soll, wo es mittlerweile zehn Imax-Kinos gibt. Zwar gehen die Zuschauerzahlen leicht zurück, ist der Novelty-Effekt wohl langsam verflogen, aber noch sticht man die nur wenige Meter entfernte Konkurrenz im Sony Center aus.

Die Erfolgsgeschichte Imax beginnt bei der Weltausstellung 1970 in Osaka, wo die Technik zum ersten Mal öffentlich vorgeführt wird. Kanadische Filmemacher wollten das Kino-Erlebnis revolutionieren, indem sie Leinwand und Filmnegativ dramatisch vergrößerten. Mittlerweile beschäftigt Imax 800 Mitarbeiter. Das Herzstück eines Imax-Theaters sind die leicht gekrümmten Leinwände, durch die bereits ein dreidimensionaler Effekt entsteht. Mitte der Achtzigerjahre wurde dann zusätzlich ein 3-D-Verfahren entwickelt, bei dem mit zwei Kameras zwei leicht verschobene Bilder aufgenommen werden, die erst mit Hilfe der beiden verschiedenen Farben der Filterbrille im Hirn des Zuschauers zum wirklich dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden.

In den Anfangstagen wurde die neue Technik vor allem in Museen für Naturkunde und Technik, Planetarien und Zoos installiert. Im Nasa Space Center oder im Grand Canyon wird der Besucher mit speziell produzierten Imax-Filmen informiert. Erst später begann man damit, die bis zu acht Stockwerke hohen Leinwände in reguläre Kinos und Multiplexen zu installieren.

Mehr als 700 Millionen Zuschauer sollen bislang einen Imax-Film gesehen haben. Für den Großteil von ihnen ist ein solcher Besuch lange nicht so alltäglich wie der in einem normalen Kino. Vor allem in der Ferienzeit und an Feiertagen sind die bis zu 15 Vorstellungen täglich bestens gefüllt. Väter aus dem Umland führen ihre Kinder, Studenten ihre heimsuchenden Eltern ins technische Wunderwerk. Unter der Woche füllen Schulklassen den Saal, am Wochenende Senioren beim Tagesausflug in die Hauptstadt.

Da darf das Erlebnis nicht alltäglich werden. Hier allerdings tritt Imax bislang auf der Stelle. Aus mehr als 180 Streifen können die Kinobetreiber momentan wählen, aber das Programm wird dominiert von den altbekannten Lehrfilmen zu Tieren, Naturwundern und exotischen Kulturen. Das Prinzip Imax aber braucht Sensationen, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Ein erster Schritt weg von der Jahrmarktssensation hin zum regulären Kinobetrieb wurde vor drei Jahren mit „Fantasia 2000“ versucht. Disney blies die aktualisierte Fassung seines Klassikers auf das größere Imax-Format auf, später folgte „Die Schöne und das Biest“. Das Experiment scheiterte: Die Spielfilme verschreckten die Stammklientel und zogen ohne das Werbeargument 3-D kein neues Publikum. Tapfer aber werden seit Jahren immer wieder Meldungen lanciert, dass nun doch Spielfilme im 3-D-Format in Arbeit seien. Allein: Ein 3-D-Spielfilm wäre nicht refinanzierbar, dazu gibt es noch zu wenige Leinwände weltweit. Schon die aktuellen Dok-Filme mit selten mehr als 40 Minuten Spielzeit verschlingen Produktionskosten im zweistelligen Millionenbereich.

Trotzdem gibt es prominente Regisseure, die Interesse an der Technik zeigen. Allen voran James Cameron: Dessen Projekt, die legendäre Mars-Trilogie von Kim Stanley Robinson in einen 3-D-Spielfilm umzusetzen, liegt zwar nun schon seit Jahren auf Eis. Dafür aber begab er sich mit einer 3-D-Kamera auf die Spuren seines größten Erfolgs und tauchte ab zum Wrack der „Titanic“. Die daraus entstandene Dokumentation „Ghosts of the Abyss“ startete vor wenigen Wochen in Imax-Kinos in den USA.

THOMAS WINKLER