: Feuer und Flamme gegen die Stadtwerke
In Göttingen werden immer wieder Autos abgefackelt. Die Polizei beschuldigt Linke – die weisen den Vorwurf zurück
GÖTTINGEN taz ■ Sechs Servicefahrzeuge der Stadtwerke sind die neuesten Opfer in einer Reihe von Brandanschlägen in Göttingen, die die Polizei einer „linksextremen Gruppierung“ zurechnet. Seit Oktober 2006 gingen immer wieder Fahrzeuge der Polizei Göttingen, der Bundespolizei sowie Firmen- und Privatfahrzeuge in Flammen auf. Seit Februar war es nun ruhig – bis vergangenen Samstag.
Die Fahrzeuge seien nach Angaben der Polizei in der Nacht auf dem Betriebsgelände des Versorgungsunternehmens in Brand gesteckt worden. An eine Wand wurde die Parole „Nieder mit Kapitalismus, Patriarchat und Gewalt gegen Frauen etc.“ gesprüht, weswegen die Polizei von einer politisch motivierten Brandstiftung ausgeht. Wieso ausgerechnet Fahrzeuge der Stadtwerke Ziel der BrandstifterInnen wurden, konnte auch der Leiter der Göttinger Kripo, Volker Warnecke, nicht erklären. Es sei ihm „vollkommen unverständlich“, wieso auf diese Weise gegen den Kapitalismus demonstriert werde. Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel war sich jedoch sicher, dass die Tat „erhebliche kriminelle Energie und heimtückische Gewaltbereitschaft von linksextremistischen Gruppen in Göttingen“ belege.
Die eigens eingerichtete „Ermittlungsgruppe Rad“ ging von vornherein von einem linkspolitischen Hintergrund aus. Als im Herbst 2007 ein Mittelklassewagen entzündet wurde, verwies sie auf eine Publikation aus Berlin, in welcher zu Anschlägen auf „Nobelkarossen“ aufgerufen würde. Einige Brandanschläge standen zudem in zeitlichem Zusammenhang mit linken Demonstrationen.
Im Januar 2008 war nach Polizeiangaben ein Bekennerschreiben einer nicht näher bekannten „linksextremistischen Gruppierung“ bei Zeitungen in Hamburg eingegangen. Hierin seien auch weitere Anschläge angekündigt worden, heißt es. Eine Einsichtnahme sei aus „ermittlungstechnischen Gründen“ allerdings nicht möglich.
Innenminister Uwe Schünemann (CDU) vermutete, die Anschlagsserie könne mit örtlichen Antifagruppen zusammenhängen. Eine Sprecherin der Gruppe „Redical M“ bezeichnete dies gegenüber der taz als „billige Propaganda“. Es sei nicht das erste Mal, dass „besonders aktive und die Öffentlichkeit suchende linke Gruppen ins Visier des Staatsschutzes genommen“ würden. Solche Äußerungen könnten nach ihrer Auffassung auch der Vorbereitung von Überwachungsmaßnahmen „gegen missliebige Gruppen, Personen oder Organisationen“ dienen. Kripo-Chef Volker Warnecke sagte, die Polizei betrachte die Vorgänge eindeutig als staatsschutzrelevant. Dass es bereits Überwachungsmaßnahmen in Göttingen gäbe, konnte er nicht bestätigen. Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner sagte der taz, es sei durchaus denkbar, dass der Sachverhalt der Bundesstaatsanwaltschaft vorgelegt werde. Auch Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach §129a Strafgesetzbuch seien dann nicht ausgeschlossen.
Insgesamt ist durch die Brandanschläge mittlerweile ein Schaden in Höhe von 350.000 Euro entstanden. 19 Fahrzeuge wurden beschädigt oder zerstört. Unter den Linken der Stadt sind die Anschläge zumindest umstritten. In einer Szenepublikation wurde diesen Taten bereits im Januar jeder Sinn abgesprochen. Die TäterInnen handelten nach dem Motto „Hauptsache, mal richtig militant sein“, hieß es.
BENJAMIN LAUFER