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: „Die Wutprobe“

36 Kammern

„Die Wutprobe“ ist der konsequent nächste Schritt einer Imagekampagne, die Adam Sandler mit seinem letzten Film „Punch-Drunk Love“ lanciert hat. Im Original heißt „Die Wutprobe“ schlicht „Anger Management“ – ein programmatischer Titel für den kleinen Entwicklungsroman des Sandler-Charakters, den er in jedem seiner Filme verkörpert. Im Manisch-Aggressiven seiner Typen Happy Gilmore, „Waterboy“ Bobby Boucher oder Longfellow Deeds fanden sich noch viele Verhaltensmerkmale eines analen Zwangscharakters. In Barry Egan aus „Punch-Drunk Love“ schien dann schon etwas Unheilvolles zu brüten, das die anderen Figuren erfolgreich verdrängten. Zum ersten Mal war jetzt Angst zu spüren.

Sandler hat den Sandler-Charakter schätzen gelernt, er muss sich nur noch mit ihm arrangieren. Das psychologische Gutachten, das Jack Nicholson Sandlers Dave Buznik in „Die Wutprobe“ ausstellt, ist die Lektion, die Happy Gilmore & Co noch nicht verstanden haben: Ein kontrollierter aggressiver Befreiungsschlag verschafft inneren Frieden, ganz im Gegensatz zur destruktiven Postpubertät früherer Figuren. Buznik sucht die letzte Konfrontation mit seinem Jugend-Trauma (Philip C. Reilly) in einem buddhistischen Kloster und provoziert dort einen Riot. Der Sandler- Charakter bleibt ein Fall für die Couch. Sandlers Versuch, seine Fans an der mentalen Genese der Figur teilhaben zu lassen, ist jedoch einer der ungewöhnlichsten Fälle von Überidentifikation im derzeitigen Blockbuster-Kino.

Dave Buznik ist Sandlers bisher ausgeglichenste (und damit am wenigsten antiautoritäre) Figur. Eine Verkettung unglücklicher Umstände, die er mit ungeahnter Gelassenheit nimmt, bringt ihm die richterliche Verfügung ein, sich einer 20-stündigen „Anger Management“-Therapie von Dr. Buddy Rydell (Nicholson) zu unterziehen. Rydell ist Nicholson im späten „Shining“-Stadium, und er schickt Buznik durch die 36 Kammern des amerikanischen Selbstfindungstraumas.

Das Bild des „Anger Managements“ ist hier ganz richtig. Amerika ist ein Land voller Wut, die justiziabel werden muss. Wenn Buznik aus dem Fenster sieht, hängt da eine Tafel: „An Army of One“. John Turturro spielt einen Veteranen mit einem Kriegstrauma: Grenada, nicht Vietnam. Die amerikanische Psyche ist hoffnungslos überreizt. Am Ende von „Die Wutprobe“ ist es 9/11-Leitfigur „Rudy“ Giuliani, die die Durchhalteparole verkündet. ANDREAS BUSCHE

„Die Wutprobe“, Regie: Peter Segal. Mit Adam Sandler, Jack Nicholson u. a. USA 2003, 106 Min.