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Archiv-Artikel

Brüchige Allianz

Attac Bremen und Ver.di sind sich einig, dass sich Bremen mit den Privatisierungen im Gesundheitssektor auf dem falschen Weg befindet – Ver.di möchte ihn trotzdem ein Stück weit mitgehen. Der Antrag auf ein Volksbegehren gerät damit in Gefahr

Bremen taz ■ 4.600 Unterschriften gegen die Privatisierung der stadtbremischen Krankenhäuser hat die Bremer Attac-Gruppe „Soziale Sicherungssysteme“ vergangene Woche dem Stadtamt übergeben. 4.000 Unterschriften sind notwendig, um einen Zulassungsantrag für ein Volksbegehren zu stellen. Unter dem Titel „Gesundheit ist keine Ware“ kooperieren bei diesem Volksentscheid Attac und Ver.di in einer größeren Aktion erstmals in Bremen miteinander.

Sollte der Antrag für das Volksbegehren grünes Licht bekommen, müsste die Initiative binnen drei Monaten 40.000 Unterschriften sammeln, die dann die Bürgerschaft verpflichten würde, die Klinikumstrukturierungen neu zu erörtern. Wenn diese von ihrem Beschluss nicht abrückt, würde in einer Volksabstimmung über die Zukunft der Krankenhäuser entschieden.

Die städtischen Bremer Krankenhäuser sind seit Anfang 2004 in gemeinnützige GmbHs (gGmbH) umgewandelt worden. Für die Mitglieder Attacs ein Schritt in die ganz falsche Richtung. Sie befürchten, dass es in Zukunft wichtiger ist, dass die Kasse stimmt, als dass Patienten ausreichend medizinisch versorgt werden. „Jeder Patient der länger bleibt als geplant, stellt einen Geld-Verlust für die Klinik dar“, mahnt Peter Erlansson von Attac. Dass die neu geschaffenen GmbHs gemeinnützig sind und deshalb keine Gewinne ausschütten dürfen, hält Erlansson nur für einen Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Privatisierung. „Es ist eine Frage der Zeit, bis auch dieses kleine ‚g‘ fällt.“ Deshalb fordert der Volksentscheid eine Änderung der Rechtsform. Attac hat sich zu diesem Zweck mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di verbündet. Aber die Allianz scheint bereits zu bröckeln. Onno Dannenberg, Tarifkoordinator von Ver.di Bremen, stimmt zu, dass Privatisierungen im Gesundheitssektor nicht der Stein des Weisen seien. Beide Gruppen sitzen daher im gleichen Boot, rudern aber gleichwohl in verschiedene Richtungen. „Momentan sollten andere Dinge im Vordergrund stehen“, formuliert Dannenberg vorsichtig. Die Privatisierung mit aller Macht rückgängig zu machen ist derzeit nicht oberstes Ziel der Gewerkschaft. Ver.di hatte es als großen Verhandlungserfolg bejubelt, dass die Umwandlungen der Kliniken für die Beschäftigten keine Einschnitte bedeuteten. „Es ist so, als seien die Arbeitnehmer noch bei der Stadt beschäftigt“, so Dannenberg. Wichtig sei es jetzt, die Krankenhäuser auf die neuen Gesetze zur Finanzierung einzustellen.

Ab 2007 verdienen die Krankenhäuser ihr Geld nicht mehr mit Tagessätzen für die Patienten. Sie finanzieren sich vielmehr durch so genannte Fallpauschalen. Das bedeutet, die Krankenkassen weisen den Kliniken nach einer Eingangsdiagnose Mittel – und Zeiten – zu, die für die Behandlung ausreichen müssen. „Die Krankenhäuser werden dann versuchen, die Verweildauer der Patienten zu senken“, glaubt Dannenberg.

Uwe Schmid, Gewerkschaftssekretär von Ver.di, beschreibt die Lage für die Gewerkschaft entsprechend als „schizophren“. „Auf pragmatischer Ebene müssen wir das privatisierte System mitgestalten.“ Grundsätzlich aber sei die Ausrichtung falsch. Sowohl Schmid als auch Erlansson stimmten überein, dass Attac der Motor der bisherigen Initiative gewesen sei. „Das Engagement von Ver.di war natürlich nicht so riesig wegen des guten Tarifabschlusses“, räumt Erlansson ein. Trotzdem ist er sicher, dass die Gewerkschaft auch die nächste Stufe des Volksentscheids noch unterstützen wird. Alleine, so eine Attac-Mitarbeiterin, könne man die nächste Stufe des Volksentscheides jedenfalls nicht schaffen. Holger Schleper