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Archiv-Artikel

Zum Monatsende bleiben die Schulbänke leer

Besuch in einem dürregeplagten Hungerdorf in Simbabwe: Die internationale Lebensmittelhilfe reicht nicht zum Leben

MACHAYA taz ■ Die Rationen sind knapp. Jeder kriegt zehn Kilo Maismehl, drei Pfund Sojamehl und 640 Milliliter Speiseöl. Davon soll man sich dann einen Monat ernähren.

„Wir müssen auf das Mittagessen verzichten, damit es reicht“, ärgert sich Stella Masiri. Gerade hat die 35-Jährige im simbabwischen Dorf Machaya ihre UN-Lebensmittelzuteilung entgegengenommen, verteilt vom Hilfswerk „Christian Care“. Sie fragt nach mehr – und kriegt es nicht. „Christian Care könnte uns wenigstens Salz, Bohnen und Zucker geben“, findet die Hausfrau, während sie im Sand vor dem Schulgebäude sitzt, das jetzt als Verteilungszentrum für Lebensmittelhilfe dient. „Wir haben doch kein Geld, um irgendwas zu kaufen.“ Sie hat neun Kinder und ist ziemlich ausgemergelt.

Machaya liegt im nordostsimbabwischen Distrikt Muzarabani an der Grenze zu Mosambik. Um aus der Hauptstadt Harare nach Muzarabani zu kommen, muss man nach 150 Kilometer Fahrt durch einst wohlhabendes Land, wo sich eine aufgegebene Farm an die andere reiht, eine halsbrecherische Straße das Mavuradona-Gebirge hinunterfahren. 1.000 Meter unterhalb der Gebirgsspitzen öffnet sich eine endlose weite Fläche voller Dornbüsche in Richtung des weiten Sambesi-Tales, das bereits zu Mosambik gehört. 105.000 Menschen leben in dieser entlegenen Landesecke, seit die Region in den 60er-Jahren von der Tsetse-Fliege gesäubert und für Landwirtschaft geöffnet wurde.

Baumwolle wird hier angebaut, und jahrzehntelang konnten die Menschen davon leben. Es kamen viele Zuwanderer. Aber heute, sagt Alex Muzira von Christian Care, der die Lebensmittel in Machaya verteilt, ist 85 Prozent der Bevölkerung in Muzarabani von Hunger bedroht. In ganz Simbabwe sind es nach UN-Schätzung 6,5 Millionen der 11,5 Millionen Einwohner.

„Früher konnten wir es uns leisten, die Kinder zur Schule zu schicken und hatten dann noch genug Geld übrig“, erinnert sich Stella Masiri. „Heute ist das ganz anders.“ Seit Jahren herrscht Dürre in Muzarabani. Normalerweise dauert die Regenzeit von November bis April. Diesmal hat es erst einmal richtig geregnet, irgendwann Mitte Januar.

„Die Baumwollernte kann man schon abschreiben, und die Maisernte wird wohl auch völlig scheitern“, sagt der Hilfswerker Alex Muzita. „Fast alle Leute hier kriegen Hilfe.“ 5.700 Menschen aus 1.260 Haushalten haben sich vor der Schule angestellt. Jeder hat das Recht auf eines der Hilfspakete, über deren geringen Umfang sich Stella beklagt.

Makena Walker, Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms WFP in Simbabwes Hauptstadt Harare, bestätigt, dass die Lebensmittelhilfe nicht reicht. Die Geber seien verantwortlich, sagt sie und warnt: „Die Lage wird sich weiter verschlimmern. Die Hilfsverteilung soll bis zur Erntezeit im April dauern. Aber eine nennenswerte Ernte wird es nicht geben. Wir versuchen jetzt, die bedürftigsten Teile der Bevölkerung zu ernähren: Kranke, Aids-Infizierte, Alleinerziehende, Kinder.“ Weniger Menschen werden ernährt als letztes Jahr, obwohl die Zahl der Bedürftigen gestiegen ist.

Auch Muzira von Christian Care weiß, dass das Essen, das er in der Schule von Machaya verteilt, nicht reicht. In der vierten Woche des Monats kommen die Kinder nicht mehr zum Unterricht, weil sie zu schwach vor Hunger sind, berichtet er.

Die internationalen Geber sind zurückhaltend, was Simbabwe angeht. „Wir haben schon mehrere große Zusagen bekommen, aber es dauert drei Monate, bis die Lebensmittel da sind“, klagt Walker vom WFP. In der Zwischenzeit kommt es zu bizarren Auswüchsen der simbabwischen Wirtschaftskrise: „Reiche Leute im Mercedes oder BMW fahren vor den Verteilungszentren vor und wollen die Lebensmittelhilfe kaufen, weil es in den städtischen Geschäften kein Maismehl mehr gibt.“ Der Preis eines 50-Kilo-Sacks Maismehl ist zwischen Anfang 2003 und Anfang 2004 von 580 auf 45.000 Zimdollar gestiegen.

„Die Lage ist sehr ernst“, resümiert Walker. „Als in Äthiopien 1984 die große Hungersnot herrschte, war die ganze Welt alarmiert, obwohl nur ein Achtel der Bevölkerung betroffen war. In Simbabwe laufen über 50 Prozent Gefahr, zu verhungern.“

Stan Muziram, der seit zwei Jahren in Muzarabani arbeitet, stimmt zu. „Schon jetzt sind viele Leute sichtlich unterernährt, und Ziegen und Kühe verhungern“, sagt er. „Wenn die Lebensmittelverteilung hier aufhören sollte, würden die meisten Leute hier an Hunger sterben.“

GODFREY KARORO