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Archiv-Artikel

Wenig Rückenwind für Strafprozess-Reform

Rot-Grün will die Prozessordnung ändern. Das hat beim Strafverteidigertag längst nicht jeder Anwalt begrüßt

KARLSRUHE taz ■ Die von Rot-Grün geplante Strafprozess-Reform musste sich am Wochenende ihrem ersten Härtetest unterziehen. Beim jährlichen Strafverteidigertag zeigten sich am Wochenende rund 500 Rechtsanwälte allerdings nur bedingt zufrieden.

„Je kommunikativer das Ermittlungsverfahren gestaltet wird, desto effizienter verläuft der eigentliche Strafprozess“, begründete Bernd Netzer, zuständiger Abteilungsleiter im Justizministerium, die Reform. Die Strafverteidiger sollten deshalb die Möglichkeit haben, schon vor dem eigentlichen Prozess an der Vernehmung von Zeugen teilzunehmen und auch selbst Fragen zu stellen. Rot-Grün will damit eine alte Forderung der Anwälte erfüllen. Allerdings hat die Stärkung der Verteidigung auch ihren Preis. So soll der Prozessrichter die Möglichkeit haben, die Protokolle solcher Vernehmungen später im Prozess nur noch zu verlesen.

Für Margarete von Galen, Mitorganisatorin des Strafverteidigertages, ist das „ein zu hoher Preis“. Sie lehnt den „Zwangstransfer“ der Protokolle ins Hauptverfahren ab. „Auch wenn ich einen Zeugen zu Beginn des Verfahrens bei Polizei oder Staatsanwaltschaft befragen konnte, habe ich am Ende des Verfahrens doch oft ganz neue Fragen“, argumentiert sie. Falls sich ein Richter dann stur stelle, so von Galen, gäbe es am Ende mehr Konflikte.

Die rechtspolitischen Sprecher von SPD und Grünen, Joachim Stünker und Jerzy Montag, warnten die Anwälte allerdings vor zu viel Kritik. „Wenn diese Reform kommen soll, brauchen wir Rückenwind von Ihrer Seite“, so Stünker bei der abschließenden Diskussionsveranstaltung.

So rechnen Montag und Stünker etwa mit Widerstand der Länder gegen die geplante Ausweitung der Pflichtverteidigung ab dem ersten Tag der Untersuchungshaft. Bisher muss erst nach drei Monaten ein Anwalt bestellt werden. Für die Länder bedeutet das Mehrkosten, wenn die Beschuldigten kein Geld haben. Das Gesetz ist zwar nicht zustimmungspflichtig. Wenn im Bundesrat mehr als zwei Drittel der Länder Einspruch erheben, scheitert es dennoch. Die Verabschiedung ist für nächstes Jahr geplant. CHRISTIAN RATH