Malta: 90 Prozent gegen Abtreibung

VON HEIKE HAARHOFF

Die Besorgnis ist groß, der Ton entsprechend schrill: „Können ausländische Ärzte künftig mir nichts, dir nichts nach Malta kommen und hier nach Belieben Abtreibungen durchführen?“, fragt ein Einwohner der Hauptstadt La Valetta. „Kann die EU uns zwingen, dass wir auf unserer schönen Insel bald entgegen dem Gesetz der katholischen Kirche das Recht auf Scheidung einführen müssen?“, bangt ein anderer.

Das Internet-Forum des von der maltesischen Regierung eingesetzten „Malta EU-Information Centre“ (MIC) ist voll von solchen Fragen, und das, obwohl längst klar ist, dass sich mit dem EU-Beitritt der Mittelmeerinsel im Mai dieses Jahres kaum etwas an einer Rechtslage ändern wird, die vor allem Frauen in ihren Entscheidungen beeinträchtigt: Schwangerschaftsabbrüche bleiben weiterhin illegal und strafbar; Ehen, die einmal geschlossen sind, können nicht wieder geschieden werden, und uneheliche Kinder haben geringere Erbrechtsansprüche als solche Kinder, deren Eltern verheiratet sind. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden in Malta, dessen Verfassung die römisch-katholische Kirche zur Staatsreligion erhebt, besser auch nicht gelebt, geschweige denn vor dem Standesamt anerkannt.

„Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen“, antwortet Sina Bujega, Chefin der staatlichen Kommission zur Förderung von Frauen, wenn man sie fragt, warum sich in den letzten Jahren keine Frau getraut hat, hierzu eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. 90 Prozent der Bevölkerung, das habe jüngst eine Umfrage ergeben, seien nun einmal strikt gegen Abtreibung. Dass Großbritannien, die ehemalige Kolonialmacht, regelmäßig Berichte nach Malta schickt, in denen steht, dass maltesische Frauen zum Abtreiben in englische Kliniken fahren, versteht die Kommission nicht als Aufforderung zum Handeln ihrerseits: „Bitte verstehen Sie, dass wir ein sehr katholisches Land sind mit Traditionen, an die wir glauben“, sagt Bujega. Und dann mit Nachdruck: „Wir haben nicht vor, wegen der EU unsere Eigenheiten aufzugeben.“

Unsere Eigenheiten. Immer noch werden maltesische Frauen für gleiche Arbeit schlechter als ihre männlichen Kollegen bezahlt. 20 Prozent weniger verdienen sie im Schnitt, so schätzt es der „National Council of Women of Malta“ (NCW), der der Dachverband von 26 Frauenorganisationen ist. „Wir hoffen, dass die EU in dieser Hinsicht weiterhin Druck auf die maltesische Regierung ausübt, damit sich die Situation von Frauen verbessert“, sagt NCW-Präsidentin Grace Attard. Denn nicht nur die Bezahlung ist ein Problem: Nur etwa 30 Prozent aller maltesischen Frauen im erwerbsfähigen Alter sind berufstätig, und das, obwohl seit Ende der 90er-Jahre mehr Frauen als Männer ihre Studien an der Universität von Malta erfolgreich beendet haben.

„Wenn Frauen Kinder haben, dann sind sie mindestens die ersten zwei Jahre erst mal zu Hause“, sagt Grace Attard. Es gebe zu wenig Krippen- und Kindergartenplätze, und ein Rückkehrrecht in den alten Job existiert bislang nur im öffentlichen Dienst. „Wir kämpfen gegen diese Mentalität, dass Mütter besser zu Hause bleiben, aber es ist mühsam.“ Der National Council of Women erhofft sich auch in dieser Angelegenheit Unterstützung aus Brüssel – immerhin war es den EU-Beitrittsverhandlungen geschuldet, dass das eine oder andere Recht von Frauen jetzt auf Malta immerhin explizit festgeschrieben ist.

So verabschiedete das maltesische Parlament im Februar 2003 ein Gesetz, das sexuelle Belästigung erstmals als Straftat anerkennt. Bislang hatten sich Regierung und Parlament dem Druck der Arbeitgeber gebeugt, solche Verfahren würden hunderte von Unternehmen in die Pleite treiben. Zugleich haben die – mehrheitlich männlichen – Abgeordneten Anfang dieses Jahres in einer feierlichen Erklärung des Parlaments festgestellt, dass Frauen und Männer in allen Belangen des Lebens gleich zu behandeln seien.