: Australiens unbeliebter Statthalter der Queen
Der Generalgouverneur und Ex-Erzbischof Peter Hollingworth droht wegen Sexskandalen sein Amt zu verlieren
Ist der Vertreter von Queen Elizabeth II. in Australien und damit das faktische Staatsoberhaupt ein Vergewaltiger? Der Beschuldigte, der Generalgouverneur Peter Hollingworth, weist den Vorwurf von sich und kann ihn sich nur als Verwechslung erklären. Eine Frau, deren Aussage gestern bekannt wurde, beschuldigt den früheren anglikanischen Kirchenmann, sie bei einem Gemeindeausflug Mitte der 60er-Jahre vergewaltigt zu haben.
„Ich kenne diese Frau nicht“, erklärte gestern Hollingworth, der in der anglikanischen Kirche bis zum Erzbischof von Brisbane aufstieg, bevor er im Juni 2001 auf Vorschlag des konservativen Premierministers John Howard von der Queen als australischem Staatsoberhaupt zu ihrem dortigen Vertreter ernannt wurde.
Der 1901 geschaffene Posten des Generalgouverneurs ist vor allem zeremoniell, doch ist mit ihm formal auch die Macht verbunden, die Regierung zu entlassen und das Parlament aufzulösen. Ersteres fand einmal 1975 statt und war ein Eklat. Der Generalgouverneur ist formal auch Oberbefehlshaber der australischen Streitkräfte, handelt aber auf Empfehlung der Minister.
Der Vergewaltigungsvorwurf gegen den heute 68-jährigen Hollingworth wird sich vielleicht nie klären lassen, da die ihn beschuldigende Frau vor zwei Wochen Selbstmord beging. Doch unabhängig von der Frage der Berechtigung der Anschuldigung trifft dessen Bekanntwerden Hollingworth in einer heiklen Situation. Denn ihm wurde schon vergangene Woche in einem kircheninternen Bericht vorgeworfen, als Erzbischof wissentlich einen Priester gedeckt zu haben, der Kinder sexuell missbraucht hatte.
Hollingworth hat den Fehler inzwischen gestanden. Jetzt fordern viele Australier seinen Rücktritt als Generalgouverneur. In einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage forderten dies 76 Prozent, nur 18 Prozent hielten zu ihm. Selbst einige Minister und Bischöfe legen ihm den Rücktritt nahe.
Hollingworths Anwälte erreichten bei Gericht, dass die zu Jahresbeginn eingereichte Vergewaltigungsklage nicht öffentlich wurde. Als jetzt ein Politiker der oppositionellen Labor-Partei davon erfuhr, ging Hollingworth selbst an die Öffentlichkeit. Hollingworth stammt aus dem südaustralischen Adelaide. Als Kirchenmann widmete er sich vor allem der Sozialpolitik und kümmerte sich engagiert um Arbeitslose und Arme, was ihm weithin Anerkennung einbrachte. 1992 wurde er „Australier des Jahres“.
Der konservative Premierminister Howard, ein überzeugter Anhänger der Queen, verstand es 1999, eine Volksabstimmung über die Einführung der Republik so zu manipulieren, dass Australien konstitutionelle Monarchie blieb. Mit der von ihm selbst vorgeschlagenen Ernennung Hollingworths machte er einen beliebten Konservativen zum Aushängeschild der Monarchie down under.
Doch jetzt könnte sich das als Bumerang erweisen. Denn schon werden die Rufe nach Einführung der Republik wieder lauter. Howard, der gerade zu Staatsbesuchen außer Landes weilt, hält selbst nur noch halbherzig zu Hollingworth. Der ließ durchblicken, er wolle nicht zurücktreten, bevor Howard zurückgekehrt ist. Der Premier traf am Mittwoch die Queen in London, äußerte sich aber dazu nicht. Hollingworths Tage als Generalgouverneur scheinen gezählt. SVEN HANSEN