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Archiv-Artikel

„Hamburg ist bestimmt kein Grenzland“

Zöllner haben nur an Grenzen was zu suchen, sagt der Strafverteidiger Harald Remé. Er hat deswegen große Zweifel, dass die Kooperation von Zoll- und Polizeifahndung bei Drogendelikten auch innerhalb Deutschlands rechtmäßig ist

taz: Herr Remé, die GER sollte „speziell den organisierten Rauschgiftschmuggel und -handel von größerem Ausmaß“ bekämpfen. Hat sie diesen Auftrag erfüllt?

Harald Remé: Dass habe ich so nicht erkennen können. Mir sind gerade aus der Anfangszeit, insbesondere zu Beginn der 80er-Jahre, viele Fälle bekannt, in denen die GER auch kleinere Straftaten verfolgt und sich mit Kleindealern, zum Teil auch Abnehmern beschäftigt hat. Im Bereich Kreuzberg, Neukölln und Potsdamer Straßenkiez gab es seinerzeit eine spezielle Gruppe, die gerade hier besonders aktiv war und bei der sich meine Mandanten immer wieder über Rechtsverstöße beschwert haben.

Als langjähriger Strafverteidiger haben Sie große Erfahrung mit Drogenprozessen. Hat sich durch die GER in solchen Strafverfahren etwas geändert?

Früher hatten alle Ermittlungen, die von der GER betrieben wurden, immer die Besonderheit, dass auch die Vorschrift des Paragrafen 372 Abgabenordnung, der so genannte „Bannbruch“, mit verfolgt wurde. Aber stes nur im Ermittlungsverfahren. In Anklageschriften ist der Bannbruch nie mehr aufgetaucht. Im zweiten Absatz des Paragrafen 372 heißt es nämlich, dass Bannbruch nicht verfolgt wird, wenn die eigentliche Straftat bereits nach einer anderen Gesetzesvorschrift verfolgt wird. Bei Drogendelikten – Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz – ist das grundsätzlich immer der Fall, das stand auch immer von vornherein fest. Der Bannbruch lieferte also nur die formale Rechtfertigung dafür, dass GER-Zollbeamte tätig werden konnten.

Wird für den Strafverteidiger darüber hinaus in den Akten oder während des späteren Prozesses erkennbar, auf welchen unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen Polizei oder Zoll jeweils operiert haben?

Das ist absolut nicht erkennbar. Soweit aus den Akten ersichtlich, gehen sie einheitlich vor, unterschiedliche rechtliche Kompetenzen werden nicht differenziert. Dabei ist zu beachten, dass Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit von Bundesbeamten – und dies sind Zollbeamte in der Regel – für die originäre Polizeiarbeit außerhalb von Grenzgebieten gar nicht gegeben sind. Laut unserem Grundgesetz ist Polizei Ländersache. Ich habe daher große rechtliche Zweifel, ob Zollbeamte außerhalb des Grenzgebietes rechtlich überhaupt tätig werden dürfen – auch bei der Drogenfahndung. Ich bezweifle, dass es solche Rechtsgrundlagen gibt, aber das ist niemals ausreichend geprüft worden.

Nun ließe sich argumentieren: Bis 1990 war ganz Berlin West Grenzgebiet, und damit waren auch die Einsatzgrundlagen für den Zoll gegeben. Nach 1990 würde dies dann aber nicht mehr gelten?

Es hat meiner Ansicht nach auch vorher nicht gegolten, und so ist eigentlich auch nie ernsthaft argumentiert worden. Zudem wurde nicht nur in Berlin eine solche Ermittlungsgruppe gegründet. Eine ähnliche Gruppe gab es damals auch schon in Hamburg, inzwischen gibt es sie auch in anderen Großstädten, etwa in Frankfurt am Main oder München. Dort war und ist bestimmt kein Grenzland, das dies rechtfertigen würde. Zum anderen kann man nicht sagen, dass der Zoll im Grenzgebiet grundsätzlich für alle Straftaten zuständig ist. Es müssen auch dort schon zollspezifische Taten sein, wie Menschen-, Zigaretten- und andere Schmuggeltätigkeiten und eben die Drogenkriminalität. Die übrigen Kriminalitätsformen werden vom Bundesgrenzschutz verfolgt.

INTERVIEW: OTTO DIEDERICHS

Harald Remé ist langjähriger Strafverteidiger, u. a. bei Drogendelikten