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Archiv-Artikel

Handaufhalten verboten

Was die Hausordnung der Deutschen Bahn mit dem Alternativen Medienpreis zu tun hat

Quer über die Bahnsteige verstreute Leute, die synchron seltsame Gesten ausführen, die Arme ausbreiten, eine Tüte aus der Tasche ziehen und sich darauf setzen. Dieses Bild bot sich den ahnungslosen Reisenden Anfang Mai 2002 im Hamburger Hauptbahnhof.

Normale RadiohörerInnen sehen anders aus. Doch sie alle hatten, kaum sichtbar, einen Knopf im Ohr und ein Miniradio dabei. Und sie waren Teil des „Radioballetts“, mit dem „Lignas Music Box“ vom Hamburger „Freien Sender Kombinat“ den diesjährigen Alternativen Medienpreis gewann. Nürnbergs freier Sender Radio Z und die Nürnberger Medienakademie verleihen ihn seit vier Jahren an nichtkommerzielle Medien.

So lauschten die TänzerInnen im Hamburger Bahnhof, einem seit Jahren heftig umkämpften Ort, den Anleitungen von Ligna. Ihnen ging es darum, „mit den Möglichkeiten des Radios auf symbolischer Ebene bestimmte Gesten, die durch die Privatisierung aus diesem Raum ausgegrenzt wurden, wieder hineinzubringen“, so Torsten Michaelsen. Gesten, die laut Hausordnung verboten sind. Doch vom Handausstrecken (erlaubt) zum Handaufhalten (verboten) ist es eben nur ein kleiner Schritt. Allergisch reagierte die Deutsche Bahn AG und versuchte vergeblich, das „Radioballett“ durch zwei gerichtliche Instanzen hindurch zu verhindern.

Folglich wertet Ole Frahm von Ligna das „Radioballett“ denn auch als politischen Erfolg: „Es war schon als Kunstaktion, aber eben von einem Freien Radio geplant, wo durchaus ein realer Eingriff vorgenommen werden sollte.“

Einige Monate später gelang dies Ligna erneut: Beim „öffentlichen Radiohören“ in der Hamburger Innenstadt, seit den Protesten um die Wagenburg „Bambule“ für Demonstrationen verbotenes Terrain, schallten aus unzähligen Radios Berichte über die verhasste Politik des Senats. Und sorgten im vorweihnachtlichen Trubel für Hörgewohnheiten der ganz anderen Art.

Weitere Preise gingen an das Leipziger Uniradio „Mephisto“ für „Eine irgendwie reiche Welt“ und an Karsten Blum von „Ems-Vechte-Welle“ für „Karneval und Krieg“. Verliehen wird der Alternative Medienpreis auch an Internetangebote. Hier wurden ausgezeichnet: www.politik-digital.de, das Satiremagazin www.zyn.de und die Website des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter www.bsk-ev.de. MAIKE DIMAR