piwik no script img

Archiv-Artikel

Versicherung als Taschenträger

Seit 1997 versucht die in Bremen gegründete Samarita einen Gegenentwurf zu konventionellen Versicherern im Gesundheitswesen darzustellen. Therapiefreiheit und Transparenz sollen dabei groß geschrieben werden

Von Holger Schleper

„Ein soziales Geschehen findet in den privaten und gesetzlichen Krankenkassen nicht statt.“ Urban Vogel sind die großen Verwaltungsapparate im Gesundheitswesen suspekt. „Der ursprüngliche Fürsorgegedanke der gesetzlichen Versicherung geht verloren“, beklagt Vogel. Auch bei den gewinnorientierten Privatversicherern sei dies der Fall. Grund genug für den 38- Jährigen aktiv zu werden und mit vier Mitgründern ein alternatives Versicherungsmodell auf den Weg zu bringen.

„Samarita – eine Solidargemeinschaft im Gesundheitswesen“ nennt sich die 1997 in Bremen gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Erklärtes Ziel der GbR ist es, für mehr Transparenz und einen kostenbewussteren Umgang mit Versichertenbeiträgen im Gesundheitssektor zu sorgen. Auch sollen sich die Mitglieder gegenseitig wahrnehmen und so den Solidaritätsgedanken im Blick behalten.

Wie dies umgesetzt werden soll, erklärt Vogel anhand eines Beispiels. Demnach würde sich der Beitrag eines 40-jährigen Mannes, der 270 Euro in die gesetzliche oder private Kasse einzahlt, in drei Teile aufgliedern. 100 Euro gingen auf ein Kapitalkonto. Von diesen jährlichen 1.200 Euro soll der Beitragszahler geringere Krankheitskosten direkt zahlen. Benötigt er die komplette Summe nicht, fließt der Rest nach zwölf Monaten in die zweite Säule des Modells, den von allen Mitgliedern getragenen Solidarfonds. Auch in diese Säule zahlt das Beispielmitglied monatlich 100 Euro ein. Aus dem Fonds kann der Beitragszahler eine jährliche Unterstützung von 5.200 Euro beziehen. Wird diese Summe überschritten, ist das dritte Standbein heranzuziehen. Dabei werden für die verbleibenden 70 Euro spezielle Versicherungen bei konventionellen Anbietern abgeschlossen.

Um größere Transparenz zu schaffen, sollen sich auf regionaler Ebene maximal 50 Mitglieder zusammenfinden, die sich in regelmäßigen Treffen austauschen. Damit soll auch ein bewussterer Umgang mit der Gesundheit geschaffen werden, der laut Vogel durch das anonyme System der Großversicherer vernachlässigt wird. Der 38-Jährige stellt es plastisch dar: „Wenn Sie am Hauptbahnhof ihre Tasche vergessen, trägt Ihnen die keiner nach. Vergessen Sie sie aber bei einer kleinen Gruppe mit bekannten Gesichtern, haben sie gute Chancen, ihre Tasche wiederzusehen.“ Zusätzlich sollen überregionale Gesellschafterversammlungen dazu genutzt werden, alle Einnahmen und Ausgaben offenzulegen.

Ebenso bedeutend ist es für die Gesellschaft, Therapiefreiheit zu gewährleisten. Vor allen Dingen Pflichtversicherten, so beklagen Vogel und Christian Werner, ebenfalls Gründungsmitglied der Samarita, werde die Mündigkeit als Patient beschnitten. Viele Krankenkassen bezahlten nämlich nur bestimmte Leistungen, und der Versicherte könne darüber nicht selbst entscheiden. Dabei vertritt die Samarita auch Offenheit gegenüber Naturheilverfahren und der anthroposophischen Medizin.

Diese spezielle Ausrichtung versteht sich als geisteswissenschaftliche Erweiterung der Schulmedizin. Die bekannteste Heilpflanze ist dabei die Mistel. Viele Mediziner warnen ausdrücklich vor der anthroposophischen Medizin. So schreibt Professor Manfred Stöhr vom Zentralklinikum Augsburg in einem Buch zu dem Thema, dass die Art der Medizin einen Rückfall in antike Alchemie bedeute. Sogar lebensbedrohliche Verschlechterungen von Krankheitsbildern weist er dieser Lehre zu. Stöhr räumt aber auch ein, dass sich Teilaspekte dieser Behandlungsart gut in die schulische Medizin integrieren ließen. Christian Werner stimmt zu: „Es ist ein Zusatz zur Schulmedizin.“ Zusammen stellen Urban und Vogel klar, dass es keine Samarita-Meinung zu Therapien gebe. „Die Versicherten sollen die Therapie machen, die sie machen wollen“, so Vogel. Der 38-Jährige stellt aber auch fest: „Wer alternative Medizin ganz grundsätzlich für Humbug hält, ist vielleicht bei uns falsch.“

Weitere Infos: www.samarita.de