: US-Präsenz im Land als kleineres Übel
Was die Beziehungen Saudi-Arabiens zu den USA angeht, steht die Bevölkerung ihrer Regierung skeptisch gegenüber. Viele glauben nicht an einen Abzug der US-Truppen, die seit der irakischen Invasion in Kuwait dort stationiert sind
RIAD taz ■ Kaum hat die US-Regierung den Abzug ihrer Truppen aus Saudi-Arabien angekündigt, liefern zwei Vorfälle ihr womöglich einen Vorwand, diesen Schritt zu überdenken. Am 7. Mai stürmte die saudische Polizei eine Villa in Riad. 377 Kilogramm Sprengstoff wurden dort gefunden. Nach Angaben des saudischen Innenministeriums wird derzeit nach 19 Leuten gefahndet, unter ihnen 17 Saudis, ein Iraker mit kanadischem Pass und ein Jemenite. Der Bruder eines der Verdächtigen beschuldigte den Prediger einer Moschee, den jungen Mann zur Gewalt gegen westliche Objekte und Personen aufgehetzt zu haben. Am Montagabend schließlich kamen 29 Menschen bei einem Selbstmordattentat in der saudischen Hauptstadt ums Leben.
Auf einer Pressekonferenz Mitte April hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Abzug der Truppen angekündigt: „Unsere Mission war es, diese Region vor Saddam Hussein zu beschützen. Das haben wir erfolgreich gemacht. Aber jetzt gibt es keinen Grund mehr, unseren Aufenthalt in Saudi-Arabien zu verlängern.“ Allerdings betonte sein saudischer Kollege, Prinz Sultan Bin Abdul Asis, die Bereitschaft beider Länder, ihre Zusammenarbeit langfristig fortzusetzen.
Als irakische Truppen 1990 Kuwait besetzten, war man auch in Saudi-Arabien alarmiert. Die Bedrohung brachte die Regierung in eine schwierige Lage: Einerseits hatte die US-Regierung sofort militärische Hilfe angeboten, andererseits war von Anfang an klar, dass die Annahme dieses Angebots die religiösen Gruppen in der saudischen Bevölkerung verärgern würde. Letztendlich entschloss sich das Königshaus für das kleinere Übel: lieber den Unmut der religiösen Eiferer riskieren, als von den Irakern erobert zu werden. Extremisten nutzten die Gunst der Stunde. Ussama Bin Laden und sein Al-Qaida-Netzwerk hetzten alsbald das saudische Volk und die islamische Welt gegen die „amerikanischen Eroberer“ auf.
Vor diesem Hintergrund erstaunt die Tatsache, dass der angekündigte Abzug kaum Begeisterung ausgelöst hat. Einige saudische Bürger glauben nicht an den Abzug der Amerikaner. „Es ist nur eine Ankündigung, um die Gemüter zu besänftigen“, sagt Mussaid G. „Auf der Strecke von Riad nach al-Kardsch sind noch jede Menge US-Truppen anwesend. Wir glauben nur, was wir glauben wollen.“ Mussaid ist überzeugt, dass die US-Truppen sein Land nie verlassen werden.
Andere wie Prinz Abdullah Bin Faisal Bin Turki, der Vorsitzende der saudischen Investitionsbehörde, meint: „Saudi-Arabien ist ein souveränes Land. Die Aufgabe der US-Truppen war es, uns in einer schwierigen Zeit zu helfen, insbesondere um Häfen und Flughäfen zu beschützen.“ Der Abzug sei weder ein Grund zur Besorgnis noch zur Freude.
Eines steht aber fest: Was die Beziehung zu den USA angeht, stehen die Saudis ihrer Regierung skeptisch gegenüber. Obwohl die meisten stolz auf die offiziell ablehnende Haltung der Regierung zum Irakkrieg waren, wissen sie, dass diese hinter den Kulissen anders agierte, um ihre Interessen zu wahren.
„Wir haben kein Problem mit den USA“, sagt Abdul Asis K., Mitglied des saudischen Marionettenparlaments. Sicher nicht. Haben doch beide Regierungen gleiche Interessen. Saudische Politiker reagieren daher gelassen auf die Frage, ob irakisches Erdöl, wenn es wieder auf dem Markt ist, die Erdölpreise ins Schwanken bringen könnte. Während der Internationalen Investitionskonferenz in Dubai Anfang diesen Monats sagte Prinz Abdullah Bin Faisal, irakisches Erdöl werde seinen Anteil am internationalen Markt haben „unter der Bedingung, dass es der Kontrolle einer legalen Regierung untersteht“ und dass Investitionen in Irak einen positiven Effekt auf das allgemeine Investitionsklima in der Region hätten.
Die Stabilität im Irak ist der saudischen Regierung ein überaus wichtiges Anliegen. Klar und deutlich lehnte Saudi-Arabien den Alleingang der USA und Großbritanniens gegen Irak ab. Während und nach dem Krieg unterstützten Regierung und Bevölkerung ihre irakischen Brüder und Schwestern, hauptsächlich auf der humanitären Ebene.
So erklärte der saudische Außenminister, Prinz Saud Al Faisal, die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA hätten dabei geholfen, eine bessere Zukunft für Irak zu planen. „Das irakische Volk braucht dringend eine zentrale Regierung, um seine Zukunft in die Hand zu nehmen. Saudi-Arabien steht hinter dem irakischen Volk.“ Aber viele Saudis nehmen das nicht ernst. Irak ist ein Land, das in der islamischen Geschichte als Schauplatz blutiger Schlachten bekannt ist. „Die sind nicht so leicht unterzukriegen, die Irakis“, sagt Mussaid G. Wie viele Saudis glaubt er an die Willenskraft der Irakis: „In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird da keine Regierung überleben, ob gut oder schlecht. Die Amerikaner werden ihr blaues Wunder erleben.“
REEM AHMAD