: Blauroter Cocktail in Kärnten
Jörg Haider, Österreichs politisches Enfant terrible, wird erneut Landeshauptmann – dank der Sozialisten, die ihm mit einem parlamentarischen Trick den Weg an die Regierungsspitze ebnen. Nur die Grünen sind da noch empört
AUS WIEN RALF LEONHARD
Die stärkste Partei solle den Landeshauptmann stellen. So hatten die Granden der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) getönt, als sie noch sicher waren, dass sie von dieser Regel profitieren würden. Auf die Frage, ob die SPÖ bei einem entsprechenden Wahlergebnis dann auch Jörg Haider unterstützen würde, gab es vor der Wahl allerdings keine klare Antwort.
Dementsprechend sieht der Kompromiss aus, den die Kärntner SPÖ und die Freiheitliche Partei (FPÖ) Freitagnacht in einer zwölfstündigen Marathonsitzung auskochten. Die SPÖ wird demnach die Wiederwahl Haiders als Landeshauptmann allenfalls ermöglichen.
Und das sieht so aus: Bei der Landtagssitzung am 1. April werden so viele der 14 SPÖ-Abgeordneten im Plenarsaal bleiben, dass das nötige Quorum gegeben ist und die Stimmen der 16 FPÖ-Amtsträger für die Wahl ausreichen. Die beiden Vertreter der Grünen werden dagegen stimmen. Wie sich die vier Abgeordneten der stark geschwächten Österreichischen Volkspartei (ÖVP) verhalten werden, ist dann völlig unerheblich.
Grundlage für diese Einigung, die mit einer Flasche Chianti Classico feierlich begossen wurde, ist ein Konsens über die Ressortaufteilung in der künftigen Landesregierung und einige Eckpunkte der Regierungsarbeit. Die FPÖ konnte ja bei den Wahlen vom 7. März überraschend ihr Resultat von 1999 noch übertreffen, die SPÖ konnte zwar um zwei Sitze zulegen, blieb aber nach monatelangem Umfragehoch zweite Kraft. Ausschlaggebend für dieses Ergebnis war der verheerende Einbruch der ÖVP, die von 20 Prozent auf unter 12 Prozent absackte und fast die Hälfte ihrer Wähler an Haider verlor.
In Kärnten werden üblicherweise keine formalen Koalitionsabkommen geschlossen. Obwohl SPÖ und FPÖ zusammen mehr als 80 Prozent der Wähler repräsentieren, wird auch die ÖVP in der Landesregierung vertreten sein, mit den durchaus schwergewichtigen Referaten für Land- und Forstwirtschaft sowie EU-Förderungen. Die FPÖ konnte sich mit den Ressorts Bildung, Senioren, Kultur, Tourismus, Familien und Naturschutz die Rosinen aus dem Kuchen picken, während die Sozialdemokraten im Sozialwesen, bei der Verwaltung der wichtigen Regionalfonds und in der Wasserwirtschaft Kompetenz zeigen wollen.
Die Vereinbarung, so beeilte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures zu versichern, werde sich nicht auf die weitere Bündnispolitik der Partei auswirken. Parteichef Alfred Gusenbauer hatte ja schon letztes Jahr mit einem legendären Spargelessen die traditionelle Abgrenzungspolitik gegenüber Jörg Haider beendet. Allerdings war es damals darum gegangen, einen Keil in die Regierungskoalition zu treiben. Und Haider war wegen seiner Kritik an US-Präsident George W. Bush unangenehm aufgefallen. Er hatte ihm Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, außerdem hatte er Israel mit einer Diktatur verglichen.
Die ÖVP reagierte gelassen auf die neue Situation. Zusammenarbeit aller Parlamentsparteien sei „politische Normalität“, so Generalsekretär Reinhard Lopatka. Nur die Grünen zeigten sich entrüstet. Der Kärntner Landessprecher Rolf Holub, dessen Partei mit zwei Abgeordneten erstmals den Einzug in den Landtag geschafft hat, sprach von „Wählerverrat“. Parteichef Alexander Van der Bellen hatte der SPÖ und der ÖVP angeboten, gemeinsam eine Anti-Haider-Koalition zu bilden. Doch sein Ansinnen, so munkelt man, wurde wohl von der ÖVP boykottiert.
SPÖ-Spitzenmann Peter Ambrozy fand diese Variante immerhin „verlockend“. Doch habe sie sich „nach einer Analyse als nicht tragfähig herausgestellt“.