: Die Energie kommt aus der Tiefe
Neuartige Anlage soll Erdwärme leichter nutzbar machen. Umweltministerium verspricht 4,8 Millionen Euro Fördergeld für Modellkraftwerk in Unterhaching
BERLIN taz ■ Die Zukunft beginnt in Unterhaching: Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will heute 4,8 Millionen Euro Fördermittel aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung (ZIP) für die Geothermie Unterhaching GmbH bewilligen. Die Firma plant eine neuartige geothermische Kraft-Wärme-Kopplungsanlage.
„Nicht die Kalina-Technik ist das Neue, sondern diese Anwendung“, erklärt Professor Frieder Häfner, der an der Bergakademie Freiberg den Lehrstuhl für Geoströmungstechnik innehat. Die Kalina-Technik nutzt Ammoniak: Weil dessen Siedepunkt deutlich unter 100 Grad Celsius liegt, lässt sich Dampf, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreiben soll, mit deutlich weniger Energie als zum Beispiel aus Wasser erzeugen. Zudem sind die thermodynamischen Wärmeübertragungsverhältnisse günstiger – so kann ein höherer Wirkungsgrad erzielt werden.
Voruntersuchungen in Unterhaching haben ergeben, dass es dort in 3.000 bis 3.400 Metern Tiefe verkarstete Malmgesteine gibt, die große Mengen warmes Wasser führen. Allerdings ist ihre Temperatur von etwa 120 Grad für ein herkömmliches Geothermie-Kraftwerk wirtschaftlich irrelevant. Relevant wird es erst durch die Kalina-Technik.
In einer ersten Nutzungsstufe wird die thermische Energie dieses Wassers genutzt, um Ammoniakdampf zu erzeugen. Der treibt dann die Dampfturbine. Das so bis auf 75 Grad heruntergekühlte Tiefenwasser geht an einen Wärmeaustauscher, der Fernwärme erzeugt.
Die Kraftwerksleistung wird auf 3,1 Megawatt Strom und 16 Megawatt Fernwärme ausgelegt. Diese Leistung wird in das kommunale Energiekonzept von Unterhaching eingebunden. Ein neues Fernwärmenetz soll künftig öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und Wohngebäude mit Wärmeenergie versorgen.
Doch so weit ist es noch nicht: „Sehr große Mengen Heißwasser sind notwendig, damit das Prinzip funktioniert“, urteilt Spezialist Häfner. Die Vorerkundungen hätten zwar Hinweise auf ein großes Wasserreservoir gegeben. „Ob aber die benötigten 360 Kubikmeter je Sekunde erreicht werden, können erst die Probebohrungen ermitteln.“ Für Häfner ist das der Knackpunkt: „70 bis 80 Prozent der Investitionskosten gehen in die Bohrtechnik, eine Bohrung in diese Tiefen kostet über 3 Millionen Euro.“
Was, wenn die Bohrung nicht das gewünschte Resultat bringt? „Ein privater Investor wird dieses Risiko niemals tragen können“, so der Freiberger Experte. Er selbst habe in der Nähe von Karlsruhe zu einem ähnlichen Projekt Voruntersuchungen durchgeführt und sei sich über die notwendige Verfügbarkeit „absolut nicht sicher“.
Sicher hingegen ist sich Bundesumweltminister Trittin. Natürlich weiß auch er nicht, ob die anliegenden Wassermassen reichen werden. „Erstens wird das Projekt aber ganz praktisch den technologischen Fortschritt voranbringen“, so Trittin zur taz. Zweitens würden so fossile Energieträger substituiert. „Insgesamt wird das Kraftwerk jährlich rund 12.000 Tonnen Kohlendioxid, über 7 Tonnen Schwefeldioxid sowie fast 11 Tonnen Stickstoffoxide einsparen.“ Experte Häfner lobt denn auch das Engagement: „Das ist ganz und gar grüne Energie.“ NICK REIMER