: Das Leid der Bahnrivalen
280 Konkurrenten der Deutschen Bahn müssen sich mit neun Prozent des Marktes begnügen
VON HANNA GERSMANN
Der Service ist besser, die Tickets sind billiger, die Züge pünktlicher – all diese Vorteile für Bahnreisende erhoffen sich Verkehrsexperten von mehr Wettbewerb auf der Schiene. Doch der lässt – anders als mit der Bahnreform vor zehn Jahren von der Bundesregierung versprochen – auf sich warten. Mehr noch: „Der Wettbewerb ist akut bedroht, bevor er jemals begonnen hat“, warnte gestern die Vereinigung „Mehr Bahnen“. Dies ist ein Zusammenschluss von fünf privaten Bahnunternehmen, darunter der größte Konkurrent der Deutschen Bahn AG, die Connex.
Bahnchef Hartmut Mehdorn, aber auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) behaupten immer wieder, die Bahnreform sei auf gutem Wege. „Diese Diagnose geht an der Realität krass vorbei“, heißt es hingegen in dem gestern veröffentlichten Wettbewerbsbericht. Auf dem deutschen Bahnnetz tummelten sich zwar 280 Unternehmen. Doch teilten sie sich im Nahverkehr gerade mal neun Prozent des Marktes. Den Löwenanteil von mehr als 90 Prozent beherrsche dagegen die Deutsche Bahn (DB). Im Güter- und im Fernverkehr seien es noch mehr. Die DB, die zu hundert Prozent dem Bund gehört, habe „ein Fast-Monopol“, sagt Karl-Heinz Rochlitz von Connex.
Für den Steuerzahler sei das teuer, fügt Michael Holzhey hinzu, der den Bericht erstellt hat. Der Bund fördere den Schienenpersonenverkehr mit mehr als 6,75 Milliarden Euro pro Jahr. Effizient eingesetzt würden die aber nicht. Dazu schlössen die Bundesländer, die sich um den Nahverkehr kümmern, zu langfristige und zu wenig lukrative Verträge ab – zumeist ohne Ausschreibung. Dabei könnten so Milliarden gespart werden.
Dass Wettbewerb das Geschäft belebt, haben einige Bundesländer aber doch schon verstanden. Schleswig-Holstein hat fast die Hälfte des Nahverkehrs an Privatbahnen vergeben und ist damit Spitzenreiter. „Wir konnten bis zu vierzig Prozent der Landeszuschüsse einsparen – und wieder für eine Verbesserung des Angebots einsetzen“, freut sich der Grüne Karl-Martin Henschel.
Brandenburg und Baden-Württemberg scheint das hingegen nicht zu überzeugen. Sie haben erst vor kurzem ohne Ausschreibung Verträge mit der DB AG über 10 oder 15 Jahre abgeschlossen. Laut „Mehr Bahnen“ steckt hinter den Verträgen auch mal ein Deal nach dem Motto: „Tust du mir Gutes, tu ich dir auch einen Gefallen.“ Sprich: Die Deutsche Bahn droht damit, Bahnhöfe nicht zu renovieren oder Werke vor Ort zu schließen, bekommt sie keine Aufträge.
Die EU-Kommission wittert in jedem Fall Unrecht. Mitte Februar hat sie die Bundesregierung bereits aufgefordert, die Verträge für nichtig zu erklären. „Und dafür gibt es auch gute Chancen“, prophezeit Holzhey.
Das allein aber reicht den Bahnrivalen nicht. Schienen und Bahnhöfe sollten für alle Bahnbetreiber da sein, forderten sie gestern. Die Netz AG dürfe nicht wie bislang Teil des Bahnkonzerns sein. Gleichwohl solle sie in öffentlicher Hand bleiben. Sonst „verhungere“ die Konkurrenz.