: Euros für die Drogenmafia
In der Volksbühne verhandeln die Deutschen Sloterdijk und Hondrich mit einem Dänen und einem Amerikaner das Ende des Westens. Ergebnis: Moralist Europa, Polizist USA
Auf dem Dach der Volksbühne leuchtet das Wort „Ost“. Aber am Donnerstag sollte es mal um den „Westen“ gehen, das stand auf dem Transparent unter dem Leuchtschild. Eigentlich sollte es aber um die „postatlantische Situation“ gehen und damit um das Ende jenes Westens, das aus Europa und Nordamerika bestand. Ein Ende, das Karl Otto Hondrich, Frankfurter Soziologieprofessor, sogleich bestritt, indem er seinen Finger in das in Podiumsdiskussionen üblicherweise bereitgestellte Wasserglas steckte. So flach werde der atlantische Graben bald schon wieder sein, wenn Powell und Fischer ihn eifrig genug zuschütten würden. Damit blieb die Diskussion noch der Rhetorik aus jener Zeit verhaftet, in der es dem atlantischen Verhältnis gut oder schlecht gehen konnte, bevor sie sich wirklich dessen Ende zuwandte.
In was könnte der Westen zerfallen? In Amerika und Europa, in das alte und das neue Europa? Der in Boston lehrende Däne David Gress gehört nach der Definition von Rumsfeld zum „neuen Europa“ und redete entsprechend. Dem alten Europa hielt er ein Missverständnis über Amerika vor. Die USA seien bis zur Handlungsunfähigkeit tolerant, und das Spektrum der Meinungen breit. Für den Amerikaner Eliot Weinberger sind die USA die perfekteste Bananenrepublik und dazu protofaschistisch.
Dagegen das alte Europa: der Utopie nahe, mit niedrigem Militärbudget, aber hohen Sozialabgaben. Eine Utopie wiederum, von der es sich gerade wieder entferne, um sich Amerika anzunähern. Das brachte ihm von dem Deutschen Peter Sloterdijk das Lob ein, „in Amerika geboren und immer noch kritisch“ zu sein. In seiner Sicht wird der Hegemon Amerika immer selbstbezüglicher werde, es reiche ihm, Hegemon zu sein und es durch grundlose Kriege zu beweisen. Der Deutsche Hondrich dagegen fand, dass die Welt eine Gruppe sei und der Westen zwei Rollen übernehme. Amerika als Polizist, Europa als Moralist.
Es war am Ende nicht einfach, die Zukunft des Westens aus den Positionen von neuen und alten Europäern, antiamerikanischen Amerikanern und deutschen Amerikaoptimisten herauszuschälen.
Nur Weinberger hatte einen konkreten Tipp, wie es mit dem alten Kontinent weitergeht: Gut, dank der neuesten Erfindung Europas, des Euro. Die Währung der Wahl für die Drogenmafia und damit eine mit Zukunft. Der Grund ist die 500-Euro-Note, dem höchsten Dollarschein im Wert von 100 Euro weit voraus: In einen Mafiosikoffer gehen nur zwei Millionen Dollar, aber zehn Millionen Euro. MAREKE ADEN