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Archiv-Artikel

Bitte keine Küstenhorcher

Bis auf Bremen legen alle Nord-Länder Fusions-Pläne für die Verfassungsschutz-Ämter ab. Man fragt sich, welcher Innenminister gemeinsame Behörden kontrollieren soll

Vahlendieck:„Informationen gelangen nicht schnell genug von der einen Stelle zur anderen.“

Hannover/Hamburg taz ■ Nach dem 11.9.2001 waren sie gerade überall aufgestockt worden – nach dem Madrider Attentat vom 11.3.2004 soll es den Landesämtern für Verfassungsschutz wieder an den Kragen gehen. Grüne und CDU sprechen sich für eine Zentralisierung der 16 Landesbehörden aus, angeblich plant die „Chefetage des Verfassungsschutzes“, neben den Landesämtern in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern auch die Verfassungsschützer in Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg in einem „Küstenverbund“ zusammenzulegen. Diese Küstenhorcher würden dabei helfen, die „großen Reibungsverluste“ bei den bislang föderal organisierten Verfassungsschutzbehörden einzudämmen – und Kosten zu sparen.

Selbst mit diesem Argument wollten sich gestern die meisten Länder ihre Kompetenzen nicht klauen lassen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach sich gegen eine Zentralisierung der Behörden aus. Ein Festhalten an der Eigenständigkeit der Länderbehörden sei allein schon wegen der Orts-, und Personenkenntnis der Verfassungsschützer in den Ländern sinnvoll.

Sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Klaus Buß (SPD) sagte zu den Plänen, alle Landesämter dem Bund zu unterstellen, eine „Mammutbehörde“ des Bundes wäre weniger effizient und schlagkräftig. Nur die Bremer zeigten sich gestern für eine grundlegende Neuorganisation offen. Neben der Zusammenarbeit mit Niedersachsen stehe Bremen einer Zentralisierung der Geheimdienste auf Bundesebene aufgeschlossen gegenüber, sagte der Sprecher von Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), Markus Beyer. „Wir stellen uns der Diskussion und wollen den Prozess konstruktiv begleiten.“ In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU ist tatsächlich eine engere Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzämtern in Bremen und Niedersachsen als Ziel festgehalten, eine Lenkungsgruppe ist auch schon eingesetzt. Aber der Fusions-Prozess stockt. Zuerst sollte die neue Verfassungsschutz-Zentrale in Hannover stehen, doch das wollte Bremen dann doch nicht.

Hier fangen die Probleme jedoch erst an. Soll der Bremer Innensenator oder der niedersächsische Innenminister den gemeinsamen Verfassungsschutz kontrollieren? Welchem der beiden Landesparlamente ist die neue Behörde Rechenschaft schuldig? „Eine Fusion hätte weitreichende Konsequenzen für Exekutive und Legislative“, sagt Volker Homuth, Chef des niedersächsischen Landesamts für Verfassungsschutz. „Noch sind da die Überlegungen nicht weit gediehen“. In den vergangenen Jahren ist seine Behörde auf 220 Mitarbeiter aufgestockt worden, dieses Jahr sollen 20 weitere dazu kommen. Das mache auch Sinn, betont Homuth.

Skeptisch steht auch der Hamburger Amtsleiter Heino Vahldieck Fusionswünschen gegenüber. Dennoch gibt er zu, dass es Verbesserungen geben müsste. „Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern muss ausgebaut werden“, so Vahldieck. Bei der Kommunikation gebe es „noch zu viel Zurückhaltung“. Vahlendieck: „Informationen gelangen nicht schnell genug von der einen Stelle zur anderen.“ Immerhin kann Vahldieck sich vorstellen, dass sich die Landesämter in bilateraler Absprache auf Extremismusbereiche spezialisieren. „Ein Landesamt kann für Rechtsextremismus zuständig sein, ein anderes für Ausländerextremismus.“

K. Schöneberg/A. Noffke