: Die Herausforderer des George W.
Anderthalb Jahre vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl trafen sich die neun demokratischen Aspiranten zum TV-Duell. Außenpolitisch sind alle gegen Bush chancenlos. Was zählt, ist Leadership, die Wahlkampfkasse – und eine zündende Idee
aus Washington MICHAEL STRECK
Kaum war der Irakkrieg zu Ende, begann der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf. Zugegeben, es hat kaum jemand bemerkt. Schließlich hatte Amtsinhaber George W. Bush gerade in einer perfekten Medienshow auf einem Flugzeugträger das Schlachtende erklärt, und das Fernsehauge klebt lieber an heimkehrenden Soldaten. Zudem interessiert sich anderthalb Jahre vor dem Urnengang niemand wirklich für neun demokratische Kandidaten, die sich vor wenigen Tagen erstmals zu einem TV-Duell trafen.
Doch das Timing war beabsichtigt. Seit der Eroberung Iraks wirft sich Bush mit Macht an die Heimatfront, reist unermüdlich durch das Land und predigt die Segnungen seiner gigantischen Steuersenkungen. Zeit also für die Demokraten, in den Wettkampf der Ideen einzusteigen. Wollen sie Bush schlagen, dann nur in der Innenpolitik. Ein Blick auf die trüben Wirtschaftsdaten und das fehlende Vertrauen in Bushs Wirtschaftspolitik hellen den Horizont für die Demokraten ein wenig auf. Ausruhen gilt auch für den populären Kriegspräsidenten nicht. Die USA sind noch immer eine gespaltene Nation, die nur leicht in Richtung der Republikaner gedriftet ist.
Jeder Wahlkampf kennt die gleichen Rituale. Die Kandidaten müssen eifrig Spenden sammeln und ein schlagkräftiges Wahlkampfteam bilden. Doch dieses Mal gibt es eine extra Hürde: Sie müssen sich frühzeitig „outen“, wie sie es mit der Nationalen Sicherheit halten. Zwar wird auch die kommende Wahl nicht in der Außenpolitik entschieden, doch Bush wird sie zu einer Abstimmung über „Leadership“ machen. Das ist sein Joker, nichts bewundern die Amerikaner mehr an ihm als seine Führungsstärke.
Drei Kandidaten können auf diesem Feld zumindest gegenhalten. Senator Joseph Lieberman aus Connecticut, der schon bei den letzten Wahlen mit Al Gore gemeinsam angetreten war, Senator John Edwards aus North Carolina sowie der Abgeordnete Richard Gephardt gelten als Falken in den Reihen der Demokraten, befürworteten den Irakkrieg und einen harten Kurs im Antiterrorkampf.
Zwei Herausforderer machen das interne Rennen spannend. Der Senator und Vietnamveteran John Kerry aus Massachusetts stimmte für die Kriegsresolution im Kongress, attestierte Bush jedoch in scharfen Tönen diplomatisches Versagen. Kritiker werfen ihm vor, Bush mit Saddam Hussein verglichen zu haben, als er einen „Regimewechsel“ in Washington forderte. Howard Dean, ehemaliger Gouverneur von Vermont, ist die führende Antikriegsstimme der Demokraten – ein Minuspunkt unter moderaten Wählern. In den „Primaries“, den Vorwahlen, geht es jedoch weniger darum, sich mit Themen zu profilieren als Anhänger hinter sich zu scharen. Deans aufrechte Haltung ist unter den Liberalen enorm beliebt und stellt Rivalen vor die Frage, ob sie weiter nach links rutschen sollen oder ihr eigenes Sicherheitsprofil aufpolieren, indem sie Deans Antikriegsposition verurteilen, wie Kerry dies bereits getan hat.
Die verbleibenden Mitbewerber, die Exsenatorin Carol Moseley-Braun, Senator Bob Graham aus Florida, Pfarrer Al Sharpton und der Kongressabgeordnete Dennis Kucinich, sind bereits beim Start weit abgeschlagen. Sie sind entweder profillos oder zu unbekannt und ihre Wahlkampfkonten sind leer.
Auf der Marathonstrecke bis zum ersten Vorausscheid Anfang 2004 müssen alle Kandidaten drei entscheidende Qualitäten entwickeln. Zunächst hilft eine überzeugende Idee. Hier führt Gephardt seit zwei Wochen klar das Feld, nachdem er eine allgemeine Krankenversicherung für alle Amerikaner vorschlug, auch wenn Dean diese Woche mit einem ähnlichen Vorschlag nachlegte. Die Kosten will er durch den Verzicht auf Bushs Steuersenkung finanzieren. Detailfragen beiseite gelassen, ist dies eine kühne Forderung, die aus dem ewigen Verlierer Gephardt – als Fraktionschef der Demokraten im Abgeordnetenhaus musste er drei Wahlniederlagen einstecken – einen ernst zu nehmenden Herausforderer machen.
Beim entscheidenden Faktor Geld führt überraschend Edwards mit 7,4 Millionen Dollar gesammelten Spenden vor Kerry. Auch der linke Dean konnte erfolgreich Kasse machen. Die beiden verfügen jedoch, anders als der Jurist Edwards, dessen Klientel vorwiegend Rechtsanwälte sind, über eine breite Spenderbasis, so dass auch hier das Rennen noch völlig offen ist. Was die Fähigkeit anbetrifft, ein Wahlkampfteam und eine breite Unterstützerbasis aufzubauen, hat Kerry die Nase vorn. Doch auch hier gilt: Dies ist nicht der Ersatz für eine zündende Botschaft.