: Indiens Heldin im Kampf gegen die Mitgift
Nisha Sharma ließ wegen unverschämter Mitgiftforderungen ihren Bräutigam verhaften. Jetzt ist sie Indiens Star
Die Hochzeitskapelle spielte schon, die 2.000 geladenen Gäste waren erschienen, der Hindu-Priester hatte das zeremonielle Feuer entzündet und die 21-jährige Informatikstudentin Nisha Sharma war als Braut festlich an Händen und Füßen mit Henna bemalt. Doch dann kam ihr ein Streit zu Ohren zwischen ihrem Vater und der Familie ihres künftigen Mannes. Der Bräutigam und seine Mutter verlangten noch weitere umgerechnet 22.000 Euro als Mitgift von Vater Sharma, der sich dazu nicht in der Lage sah. Schließlich hatte er dem Bräutigam und seiner Familie außer einem Auto schon jeweils zwei Klimageräte, Kühlschränke, Mikrowellenherde, Fernseher und Stereoanlagen als Beigabe für seine einzige Tochter vermacht.
Die Familie des Bräutigams ging davon aus, dass der Vater so kurz vor der Hochzeit in einem östlichen Vorort von Delhi die arrangierte Ehe nicht würde platzen lassen. Es kam zum Handgemenge, doch alle hatten die Rechnung ohne Nisha gemacht. Als sie ihren gedemütigten Vater sah, griff sie zum Handy und wählte den Polizeinotruf. Die herbeigeeilten Beamten wollten zunächst nicht eingreifen, obwohl der bis heute verbreitete Brauch der Mitgiftforderung in Indien schon seit 1961 verboten ist. Doch Nisha blieb stur, und schließlich verhafteten die Polizisten ihren Exbräutigam. Ihm drohen jetzt sechs Monate Haft. Seine Familie, die Nisha noch Krankheiten und eine Affäre andichten wollte, tauchte unter.
„Wollten sie Geld heiraten oder mich?“, fragt Nisha Sharma empört. Sie habe ihren Schritt in keiner Minute bereut. Jedes andere Verhalten „wäre ein schrecklicher Fehler gewesen“. Weil gerade ein Fernsehteam in der Nähe war, wurde ihr Fall in ganz Indien bekannt und Nisha zur modernen Heldin gegen überkommene Tradition. Bereitwillig gibt sie Interviews, was ihren Ruhm vermehrt. Schon bieten ihr Parteien eine Kandidatur an, und per E-Mail, SMS oder Brief hat sie bereits zahlreiche Heiratsanträge beeindruckter Männer bekommen.
Dabei ist auch Nisha zwischen Tradition und Moderne gefangen. Dass ihr Vater die Ehe arrangiert hat, stellt sie nicht in Frage. Sie will zwar jetzt zunächst einmal ihr Studium beenden, aber selbstverständlich ist für sie auch, dass ihr Vater ihr eine neue Ehe arrangieren wird. Dieses Mal hatte er den Bräutigam wie in vielen Mittelschichtfamilien üblich durch eine Anzeige in einer englischsprachigen Tageszeitung gefunden.
Nisha war auch nicht prinzipiell gegen eine Mitgift. Was sie erzürnte, war die Maßlosigkeit der Forderung und das Verhalten des Bräutigams, der noch die Marken der verlangten Produkte festlegte. Das verletzte Nishas Stolz und den ihrer Familie.
Der Brauch der Mitgift führt in Indien immer wieder zu Morden. Denn nach einer Scheidung müsste die Mitgift zurückgezahlt werden. Stattdessen werden die Frauen umgebracht, was meist als Haushaltsunfall getarnt wird. Der Ehemann und seine Familie können dann die Mitgift behalten und bekommen bei einer neuen Ehe wieder Mitgift. 2001 gab es offiziell 7.000 Mitgiftmorde in Indien, die wirkliche Zahl wird auf bis zu 25.000 geschätzt.
Es ist jetzt Nisha Sharmas Verdienst, die Problematik wieder in die Debatte gebracht zu haben. Sie könnte durch ihren Mut auch ihr eigenes Leben gerettet haben. Schon gibt es die ersten Nachahmerinnen. SVEN HANSEN