: Milliarden für den Serviceabbau
Bahn-Experten fordern die Ablösung des Vorstandes und legen Gegenkonzept vor. Zudem wird die DB-Börsenfähigkeit angezweifelt. Unternehmenskreise rechnen mit Entlassung von zwei Vorständen auf der heutigen Aufsichtsratssitzung
aus Berlin CHRISTIAN HONNENS
Für die Expertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ ist der Gang der Dinge klar: Die wirtschaftliche Lage der Bahn wird „immer dramatischer“. Professor Heiner Monheim, Sprecher der Gruppe und Stadtplaner an der Universität Trier: „Während Milliarden Euro in den Schnellverkehr gesteckt werden, dümpelt der Rest dahin.“ Aus diesem Grund müsse endlich die Politik handeln – den Vorstand der DB AG durch Experten aus dem Bahnbereich ersetzen.
Monheim belegt seine Kritik mit Zahlen. Während in den Nachbarländern Belgien, Frankreich oder der Schweiz die gefahrenen Personenkilometer jeweils um über 20 Prozent anstiegen, ging die Zahl in Deutschland um über vier Prozent zurück. Aus diesem Grund könne sich die Bahn da etwas abgucken, sagt Monheim. Die Expertengruppe fordert etwa nach dem Schweizer Vorbild ein günstiges Generalabo für den gesamten öffentlichen Verkehr und alle Verbünde in Deutschland. Auf Einwohner bezogen gäbe es in der Schweiz sechsmal mehr Fahrgäste, zehnmal mehr Bahncards und 100-mal mehr Netzkarten. Zudem sei Bahnfahren dort dreimal billiger als hierzulande. Trotz der schwierigen geografischen Bedingungen koste eine solche Bahn nicht mehr, rechnet die Gruppe vor. Ihr Favorit für den Vorstandsposten ist daher auch der Schweizer Bahnchef, Benedikt Weibel.
„Die Fehler der Vergangenheit müssen rückgängig gemacht werden“, erklärt der Unternehmensberater und einstige Erfinder des Interregios, Karl-Dieter Bodack. Die alte Bahncard mit halbem Rabatt und einfache Kilometerpreise müssten wieder her, der Tarifdschungel mit etwa 224 Preisalternativen für eine Strecke verschwinden. Auch der überaus erfolgreiche Interregio (IR) müsse zurück, nachdem er zuerst neue Märkte eröffnet hatte. „Leider wurde der IR nicht zu Ende entwickelt“, sagt Bodack. Für die Zukunft schlägt er ein integriertes System von Interregios vor, die ähnlich wie in Holland oder der Schweiz alle Ballungsräume verbinden. Noch 1999 fuhren 40 Prozent der Reisenden mit dem Interregio. Heute sind diese in Intercity-Züge umgewandelt, fahren die gleichen Strecken, nur teurer und teilweise sogar länger. Bodack: „So etwas kostet Kunden und wirtschaftlichen Erfolg.“
Dass es auch anders geht, zeigt Connex. Der Regionalbahnanbieter baut sein Netz aus und arbeitet nach eigenen Angaben profitabel. Auch andere Regionalbahnen haben Wachsratumsraten von 400 bis 800 Prozent. Statt auf teure Großprojekte setzten die Konkurrenten auf geringe Investitionen und gutes Marketing, so Monheim.
Der bundeseigene Konzern steht vor seiner morgigen Aufsichtsratssitzung auch von anderer Seite in der Kritik. Medienberichten zufolge spricht der Verkehrsexperte Gottfried Ilgmann in einem Papier an die Aufsichtsräte der Bahn die Börsenfähigkeit ab. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt, hat seine Zweifel: „Wenn die Zahlen so bleiben, kann man den Börsengang auf absehbare Zeit vergessen.“ Das Managermagazin vermeldete gestern unter Berufung auf Unternehmenskreise, dass heute zwei Vorstände wegen des umstrittenen Preissystems entlassen werden sollen.