: Clou in blue
Traumhafter kann man Hamburgs neue Polizeiuniformen nicht feiern als mit Stoffhändlern und Sponsoren auf der Gala in der Handelskammer
von CHRISTOPH TWICKEL
Früher haben sich Rocker mit der Hamburger Polizei geprügelt, heute kommen sie als Sponsoren. Im Empfangssaal der Handelskammer drängeln sich die Kameras um eine dicke Harley Davidson, dahinter Senator Ronald Schill und Designer Luigi Colani. Polizeipräsident Udo Nagel lässt es sich nicht nehmen, den Bock zu besteigen. Auf dem Weg zum Bierstand Gesprächsfetzen: „Seine vierte Frau hat er jetzt! Ausländerin! Harharhar!“ Überall Uniformierte, aber sie sind friedlich, es ist ihre Party.
Heute Abend jagen sie nicht mit Wasserwerfern Teenager, heute Abend freuen sie sich auf den Umstieg von Grün-Senf auf Blau. Die Norddeutsche Affinerie AG ist mit Fähnchen präsent: „Wir unterstützen Hamburgs neue Polizei.“ „Grüß Dich, Servus!“ blökt Gerhard Meir einem anderen Grüß-Dich-Servus-Typen zu, dann posiert er mit Iris von Arnim fürs Foto.
Das Polizeiorchester treibt die Menge in den Nebensaal, wo eine RTL-Torte namens Mareile Höppner zu moderieren anhebt, ein riesiges „Hamburg handelt!“-Transparent im Rücken. „Traumhafter kann man nicht feiern“, quiekt sie. Handelskammer-Vize Nikolaus Schües spricht von „Hamburgs Vorreiterrolle“, und dass „Innensenator Schilly“ schon Sympathien für die „in Europa vorherrschende Farbe Blau“ habe durchscheinen lassen. Schilly? Ein Raunen geht durch die Menge. „Kennen Sie das: 'Schill und Schily, Law and Order, unsere Antwort: Widerstand!'?“ frage ich den älteren Herrn neben mir, der sich als Stoffhändler vorgestellt hat. „Zu kaiserlichen Zeiten“, erklärt er, „hießen ja die Marineblazer Colani!“
Erst mal noch ein Bier holen. Vorbei an Schill, der immer noch vor der Harley posiert. Warum darf er nicht auf die Bühne? Hat man Angst, dass er dem Pitch um die bundesweite Uniformierung abträglich ist? Der Erste Bürgermeister ist bereits beim Klimax seiner Rede angelangt und wünscht sich, dass die Sponsoren „aus diesem Auftakt eine Bürgerbewegung machen: Wir Hamburger stehen hinter der Polizei.“ Tosender Beifall.
Nach der Modenschau historischer Hamburger Uniformen singt „Comedy Star“ Jörg Knörr Reime vom Zettel ab: „All in blue / all in blue / die neue Polizei / ist absolut der Clou.“ Dann Auftritt Colani. Noch im Herbst hatte er „brachialische und respekteinflößende“ Outfits versprochen, heute spricht er davon, „die Nahtstelle Bürger – Staat vernetten“ zu wollen.
Endlich ist es soweit: Die neuen Uniformen! Forsche Twentysomethings stampfen zu Funkmusik mit breiten Taschen, Strickkragen, Klettverschlüssen, Reflektoren, Drei-Wege-Jacken und Cargo Hosen über den Laufsteg. „Die sind doch schwarz!“, rufe ich. „Nein, nachtblau“, entgegnet der Stoffhändler. „Die synthetischen Stoffe sind eben nicht so farbintensiv.“ „Und morgen schon sind die ersten Beamten in den neuen Uniformen unterwegs!“, kreischt die RTL-Torte, zum großen Finale kommen alle auf die Bühne, sogar Schill.
Am Sponsor-Merchandising Stand gibt es Spender-Aktien für 400 Euro, unterzeichnet von Schill und Nagel, und Plakate für 10 Euro mit einer Colani-Skizze, die mit den von Tom Tailor geschneiderten Uniformen nichts zu tun hat und auf der der Polizist aussieht wie der von den Village People.
Draußen vor der Handelskammer warten grünverschalte Kampfmonturen im Regen auf Demonstranten, die nicht gekommen sind. Werden sie demnächst umgespritzt? „Das wird doch alles nix“, raunt mir am Fahrradstand ein Kollege zu, der sich als „Spezialist in Sachen Corporate Outfit“ outet. „Tom Tailor hat ja noch nicht mal Goretex verwendet, wie es im Anforderungsprofil steht!“