: Eltern am Fließband
Eklat bei Anhörung: CDU, FDP und Schill-Partei stimmten Schulgesetz durch. Eltern planen Schulboykott. Referat für Zweisprachigkeit entfällt
von KAIJA KUTTER
Wozu gibt es bei Gesetzesplänen eine öffentliche Anhörung? Um der Form zu genügen. Diese Einstellung demonstrierten jedenfalls am Montagabend die Schulpolitiker von CDU, FDP und Schill-Partei. Unmittelbar nach Ende der dreistündigen Anhörung, auf der Eltern und Lehrer in rund 70 Wortbeiträgen ihre Kritik am geplanten Schulgesetz vortrugen, ließ der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Drews (CDU) über das unveränderte Gesetz abstimmen. Die Abgeordneten von SPD und GAL verließen aus Protest den Saal.
„Die Eltern wurden nur pro forma gehört, eine Beratung über ihre Kritik wurde praktisch unmöglich gemacht“, empört sich GAL-Politikerin Christa Goetsch. Weder die Ergebnisse der juristischen Expertenanhörung vom 9. Mai noch die der Elternanhörung wurden im Ausschuss beraten. „Es war alles nur eine Farce. Die Eltern verstehen überhaupt nicht, warum sie sich dort drei Stunden verausgabt haben“, berichtet auch Sabine Boeddingshaus vom „Elternverein“.
Die Wut vermischt sich mit der Empörung über das Lehrerarbeitszeitmodell. So verkündete der Vorsitzende des Kreiselternrats 12 in Billstedt, Frank Ramlow, er werde nach den Pfingstferien auf einer Elternversammlung vorschlagen, die Schule zu boykottieren.
Die Anhörung wirkte auch deshalb skurril, weil dem anwesenden Schulsenator Rudolf Lange (FDP) und der Behördenspitze kein einziges Mal das Wort erteilt wurde. Wie am Fließband durften die Eltern als „Experten“ ans Mikrofon treten und Argumente aus fast zwei Jahren Schuldebatte Revue passieren lassen: Ziffernzeugnisse ab Klasse 3 erschweren Integration. Selektion nach Klasse 5 in Gymnasien ist nach PISA unsinnig. Statt Strafen sollte es pädagogische Hilfe für auffällige Kinder geben. Eltern sollten über derartige „Erzieherische Maßnahmen“ informiert werden. Fachoberschulen dürfen bei schwindenden Ausbildungsplätzen nicht abgeschafft werden, die Integrierte Haupt- und Realschule gehört als Erfolgsmodell ins Schulgesetz: Beachtet wurde das alles nicht.
Erstmals bekannt wurde indes, dass die Zweisprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund nicht wie bisher gefördert werden soll. Ein entsprechender Zusatz in Paragraph 3 des Schulgesetzes entfällt. Nihat Ercan vom „Bündnis Türkischer Einwanderer“ kritisierte, dass zugleich das entsprechende Referat in der Schulbehörde „ersatzlos“ wegfalle. „Mit ihr verlieren wir sehr viel Sachverstand. Wer soll jetzt die neuen Rahmenpläne für Türkisch erstellen?“, fragte Ercan, der von Hamburgs früherer Ausländerbeauftragten Ursula Neumann unterstützt wurde.
Die Professorin der Erziehungswissenschaft wies darauf hin, dass Kinder auch die deutsche Sprache besser lernen, wenn sie in ihrer Muttersprache gefördert werden. Auch sei Zweisprachigkeit für Hamburg eine „Ressource“, die eine Handelsstadt „dringend benötigt“. Neumann warnte zudem davor, Schüler wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht einzuschulen. PISA zeige, dass damit „das Risiko wächst, ohne Abschluss die Schule zu verlassen“.
Die Auflösung des Referats wurde gestern von Schulbehördensprecher Alexander Luckow bestätigt. „Es wird keine ausdrückliche Förderung der Bilingualität mehr geben“, sagt Luckow. Stattdessen werde ein „Fokus auf die deutsche Sprache gelegt“.